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Aegypten : Reisehandbuch für Aegypten / von Moritz Busch
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84 lairo.

Berge Arafat. Es sind immer 70,000 Pilger; denn wenn (was jetzt stets der Fall ist) die Zahl der Frommen geringer sein sollte, so schickt Allah so viele seiner Engel herab, als nöthig sind, um sie voll zu machen.

Die Reise der Karawane nach Mekka und zurück nimmt genau hundert Tage in Anspruch. Ihre Rückkehr ist gleichfalls ein grosser Fest- und Jubeltag. Derselbe fällt auf das Ende des Monats Saffer, gewöhnlich auf den 25., und einige Tage später kommt das Mahm&i zurück. Ziegler, der diesem Aufzuge im Jahre 1852 beiwohnte, beschrieb denselben wie folgt:

Aegyptische Infanterie bildete Spalier, Kavallerie und Artil­lerie vermehrte das krigerische Gepränge. Die Musik, meist von Knaben ausgeführt, war entsetzlich. Zuerst kam eine unabsehbare Linie von Militär, dann ein reichgeschmücktes Kameel mit dem Mahmal, einem prachtvollen grünen viereckigen, reich mit Inschriften, Gold­stickereien und Fransenarbeiten ausgestatteten, auf der Aussenseits mit einer Abbildung des Tempels zu Mekka und zwei angehefteten vergoldeten, Koranexemplare bergenden Kapseln geschmückten Zelte, welches in eine thurmartige Spitze auslief. Auf mehreren dahinter gehenden Kameelen thronten bis an den Leib nackte Heilige, d. h. Leute, welche dreissig Mal in Mekka gewesen sind und die jährliche Pilgerfahrt als Geschäft betrieben. Ihr Aeusseres imponirte freilich nicht im Geringsten; sie glichen vielmehr Menschen, welche allen Eindrücken der Aussenwelt bereits völlig abgestorben sind, oder Wahnsinnigen. Hierauf folgte ein grosser Zug mit Flinten bewaff­neter Piiger in den verschiedenartigsten malerischen Costümen. Sie erschienen wie irreguläre Truppen und bildeten unbedingt den interes­santesten Theil der Karawane, welche nach der Oitadelle zog und dort von dem Vicekönig Abbas Pascha, sowie den Grossen des Reichs feierlich begrüsst wurde.

Die Oeffnung des .Kanals in Altkairo gilt ebenfalls und mit Recht als eine Ceremonie von grösster Wichtigkeit. Die Zeit, wo der Damm durchstochen wird, welcher den Kanal an seiner Mündung schliesst, hängt natürlich von dem Steigen des Flusses ab, doch findet die Durchstechung gewöhnlich zwischen dem 8. und 12. August statt. Die Ceremonie wird stets am Morgen vollzogen, und zwar gewöhnlich durch den Gouverneur von Kairo. Die ganze Nacht vorher schon ist das Ufer des Kanals mit Menschen bedeckt, und Massen von Booten drängen sich auf dem Flusse. Man brennt Feuerwerk ab, belustigt sich in Buden und Zelten und hört der arabischen Musik zu, die allenthalben erschallt. Gegen 8 Uhr erscheint der Gouverneur mit Gefolge und Truppen, und auf ein Zeichen wird der Damm durch­stochen und das Wasser ergiesst sich in den Kanal, worauf der Beamte des Vicekönigs nach altem Gebrauch eine Anzahl kleiner Goldmünzen in den Kanal wirft, um welche die dort harrenden Knaben in Wasser und Schlamm zu raufen beginnen. Sobald hinreichend viel Wasser in den Kanal geströmt ist, laufen mit Menschen gefüllte Bah&bisn und