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Aegypten : Reisehandbuch für Aegypten / von Moritz Busch
Entstehung
Seite
86
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86 Kairo.

Skorpione zähmten und mit Feuerflammen spielten, ohne sich zu verbrennen. Nach den Derwischen folgten zwei Fechter mit Schilden und Säbeln, Karrikaturen nach Don Quixotes Zuschnitt; sie führten eine Art Zweikampf auf, nach dessen Beendigung sie demüthig einsammelten und sich mit der geringsten Gabe sehr zufrieden zeigten. Nach ihnen trat ein Possenreisser auf, an dem der bunt­scheckige Anzug, aus kleinen farbigen Läppchen bestehend, das Beste und Lustigste war. Der Kerl hatte auch ein grosses Horn um­hängen, in das er von Zeit zu Zeit hineinstiess. Jetzt erschienen zwei alte, fast ganz nackte Männer als Eiliger oder Gladiatoren, welche aber mit ihren Gestalten nicht nur einen nach unsern Begriffen unanständigen Anblick gewährten, sondern auch ihre Sache sehr schlecht machten. Dagegen legten die nunmehr folgenden Gaukler eine grosse Gewandtheit an den Tag. Sie stiessen sich unter Heulen und Brüllen auf eine sehr täuschende Weise spitzige Eisen in die Augen und Säbelspitzen in die Brust. Der Eine warf sich auf den Rücken nieder, und der Andere schien ihm mit dem scharfen Säbel den Leib, aufzu- sclineiden. Die Täuschung wurde der Wirklichkeit um so näher geführt, als der Ueberwundene die ergreifendsten Schmerzenstöne ausstiess, die zuletzt iii ein förmliches Todesröcheln übergingen, so dass man unwill­kürlich den Blick von dieser entsetzlichen Scene abivenden musste. Endlich folgten die Saadi oder Schlangenfresser, welche die Kunst be­sitzen sollen, Schlangen aus den Häusern zu bannen, Skorpione zu essen, Schlangen zu verzehren. Zum grossen Theile sind sie Betrüger, und wenn auch manche von ihnen eine gewisse Geschicklichkeit besitzen, so ist es doch abgeschmackt, behaupten zu wollen, dass sie eine ge­heime Beschwörungskunst verständen, von der sich schon im alten Testament Andeutungen vorfänden.

Drei Männer brachten eine etwa sechs Fuss lange dicke giftige lebendige Schlange, die sie am Schwänze haltend dem Publikum vor­zeigten. Sie war der Giftzähne beraubt und konnte in Folge ihrer Abhängigkeit sich nicht bis an die Hand der Haltenden emporringeln, so sehr sie sich auch darum abmühte. Nach mancherlei Sprüngen und Grimassen biss plötzlich der Eine den Kopf ab und frass ihn, ein Anderer riss mit den Zähnen ein grosses Stück aus der Mitte des Leibes her­aus, und ein Dritter würgte den ganzen Schwanz hinunter. Deutlich und genau, muss ich hinzusetzen, habe ich das Abreissen, Kauen und Hinunterschlucken dieser Barl aren gesehen, die weit unter dem Vieh stehen. Diese wilden Sprünge und Grimassen, dieses Zungensehnalzen und Zähneknirschen der Wilden, diese rollenden leuchtenden Augen der Schlange, diese mit Blut besudelten Mäuler der Schlangenfresser werde ich nie vergessen.

Zum Schlüsse der ganzen Festlichkeit folgte das Doseh, d. li. das Treten. Der Gedanke daran macht mich noch schaudern. Eine Menge junger Menschen ich zählte dreissig die seit melirern Tagen gefastet und gebetet, traten in den Hof herein und legten sich mit dem Gesicht zur Erde, die Beine gerade ausgestreckt, die Arme