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Aegypten : Reisehandbuch für Aegypten / von Moritz Busch
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Die Pyramiden. 97

und singen zu lassen rrnd dergleichen, so darf man sich nicht wundern, wenn diese Leute zudringlich und in ihren Forderungen unverschämt werden.

Die Beduinen der Pyramiden besitzen eine sehr grosse Beob- achtungs- und physiologische Beurtheilungsgabe, und danach richten sie ihr Verhalten und ihre Forderungen ein. Man kann dreist eine Wette eingehen, dass der Beduine unter 100 Personen, 90 ihrer Na­tionalität nach sofort erkennen wird. Es ist vorgekommen, dass eine als Herr gekleidete junge Dame, die ganze dreistündige Tour bis zu den Pyramiden zu Esel mitgemacht hatte, ohne dass sie von mehreren Personen als Dame erkannt wurde; erst bei den Pyramiden wurde das Gelieimniss verratlien, indem mehrere Beduinen schon von weitem ausriefen: ich werde die Dome hinaufbegleiten.

Vor den Alterthümern, die sie anbieten, nehme man sich in Acht, sie sind grossentheils neueres Fabrikat.

Man besteigt in der Regel nur die grösste Pyramide, die des Cheops. Zwei Araber fassen den Reisenden bei den Händen und ziehen, ein dritter hält und schiebt von hinten, und so geht es die 3 bis 4 Fuss hohen Stufenblöcke bis zum Gipfel hinauf. Der Weg ist, da die Stufen mehr als fussbreit und das Material rauher Stein ist, welcher den Sohlen einen festen Halt bietet, zwar beschwerlich und ermüdend, aber nichts weniger als gefährlich. Unterwegs und oben wird man nochmals und unter allerlei Vorwänden um Bakschisch angegangen.

Für den Verdruss, welchen diese beharrliche Bettelei verursacht, entschädigt die Aussicht, die man von der Höhe geniesst, reichlich. Man überblickt, wenn man auch mitten im Winter kommt, im Osten eine grüne Thalfläche, zwischen deren Feldern und Palmenhainen graue Fellahdörl'er wie Ameisenhaufen liegen. Jenseits des Nil, den man übrigens Mer nur in der Zeit der Uebersehwemmung sieht, zieht sich geradlinig die gelbliche schroffe Waud des Makattamgebirges hin, unter dem nach Norden Kairo sich ausbreitet. Nilaufwärts, auf dies­seitigem Ufer begegnen dem Auge die dunklen Palmenwälder der Stätte, wo einst Memphis stand, die Stadt, welche diese Pyramiden als riesige Denkmale ihres Todtenackers hinterlassen hat. Wir erkennen die andern, dieser Königsstadt der Urzeit nähern Pyramidengruppen von Abusir, Sakkarah und Daschur, gleichfalls als Grenzsteine_ der Wüste, die sich allenthalben haarscharf von dem grünen Lande scheidet. Auf ihrer ersten felsigen, mit Sand verwehten Erhebung steht auch die von uns bestiegene Pyramide und hat dicht hinter sich eine fast ebenso grosse, die sich indess dadurch von ihr unterscheidet, dass von der Spitze lierah ein Tlieil ihrer glatten Bekleidung hängen ge­hliehen ist. Sie stehen Ecke gegen Ecke gewandt und ebenso die dritte, die bedeutend kleiner ist. Die Richtung ist Südwesten. Rechts und links auf der mit Sand und Schutt bedeckten Felsenplatte reihen sich felderweis, grösser oder kleiner, die Gräber, in welchen hei ihrem Könige die Beamten des Hofstaats beigesetzt wurden, gestreckte, fest aus Quadern gefügte Hügel mit flacher Decke und geneigten Wänden.

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