Von Theben bis Fhilä. 181
Wir haben, wie schon diese nianniclifachen Formen zeigen, Säulen vor uns, die in ptolemäischcr oder römischer Zeit entstanden sind. Die Säule ist in Bezug auf ihren Schaft rund, hat jede Spur an die alte Gliederung verloren bis auf den Gurt der vier Heftbänder unter dem Hals und einen Kreis von Zackenblättern um den Säulen- fuss, der auf besonderer kreisförmiger Platte ruht. Ihre Mitte ist ein langer Panzer von Hieroglyphenreihen, und abwärts auf derselben Rundung erscheinen in grossem Umriss die Opferbringer vor dem Gotte des Tempels. Die Wände sind in regelrechten viereckigen Feldern oder Tafeln mit Sculpturen tapezirt, welche hier sehr gut erhalten sind, aber den Eindruck der Monotonie machen, da sie fast nur Opferspenden von Fürsten darstellen.
Die Hieroglyphen, die dabei stehen, erklären, wer diese Fürsten waren und widerlegen damit die Annahme früherer Alterthumsforscher, welche diesem Tempel ein sehr hohes Alterthum zuschreiben. Die Mauern dieses Pronaos sind unter dem Kaiser Claudius errichtet worden, das Gesims der Façade und die erste Reihe der Säulen unter Vespasian und Titus. Der hintere Theil des Pronaos trägt die Namen der Imperatoren Antonin, Marc Aurel und Commodus. Einige Säulen des Pronaos wurden unter Trajan, Hadrian und Antonin mit Sculpturen geziert, die Säulen der rechten und linken Wand dagegen tragen, mit Ausnahme einiger Basreliefs aus der Zeit Domitians, nur Bilder und Inschriften des Septimius Severus und des Geta. Letzterer wurde bekanntlich von seinem Bruder Caracalla ermordet und darauf sein Name im ganzen Reiche verboten. Dieses Verbot scheint bis in die ferne Thebais durchgeführt worden zu sein; denn die Namenszüge Geta’s sind hier weggemeisselt, wenn auch nicht hinlänglich, indem man noch ziemlich deutlich den Namen dieses unglücklichen Fürsten: „Imperator Cäsar Geta, der Führer“ lesen kann.
Diese Kaiser Roms, welche in ägyptischer Tracht ägyptischen Göttern opfern, sind auch hier nichts als schmeichelhaft ausgedrückte Datumsangaben.
Ueber den an der Decke befindlichen Thierkreis sind die Gelehrten verschiedener Ansicht gewesen. Einige haben diese Darstellung in das höchste Alterthum hinauf verwiesen, während Champollion sie wie den ganzen Tempel in die Zeit zwischen Claudius und Caracalla verlegt und dann fortfährt: „Wenn diese Thierkreise einen Zustand des Himmels darstellen, wie man ihn nach der scheinbaren Ordnung der Zeichen im Thierkreise hat wiedererkennen wollen, indem die Jungfrau das Hauptzeichen in dem einen und der Löwe dasselbe in dem andern ist und diese Substitution des Löwen für die Jungfrau in der Absicht geschah, in diesen Gemälden jene Phänomene anzudeuten, welche die heutige Astronomie das Vorrücken der Tag- und Nachtgleichen nennt, und welche den Alten bekannt gewesen wären — wenn sie also einen solchen Himmelszustand darstellten, so müsste man annehmen, dass diese im ersten und zweiten Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung ausgehauenen Bildwerke Copien von Denkmälern