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Aegypten : Reisehandbuch für Aegypten / von Moritz Busch
Entstehung
Seite
199
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Von Assuan bis Wadi Haifa. 199

oberen Ende des Allerbeiligsten befinden sich vier sitzende Figuren in Hantrelief. Aehnliche Gestalten begegnen dem Beschauer in den acht Nischen der grossen, auf sechs Pfeilern gestützten Hallen und in den beiden andern des Vorhofs. Letzterer hatte eine Reihe von vier Osirisfiguren auf jeder Seite und vorn vier Säulen, allein es ist von der Wand, die ihn umgab, jetzt nur wenig noch vorhanden. Die Tiefe des in den Felsen gehauenen Theils dieses Heiligthums, welches vorzugsweise dem Pthah und daneben der Hathor, der Pascht und Anauke geweiht war, beträgt nicht mehr als 130 Fuss. Die inneren Wände sind voll Russ und Fledermäuse, welche in hässlichen Klum­pen von der Decke herabhängen, dieselbe mit ihrem Schleim über­ziehen und den übelsten Geruch verbreiten.

Der andere, südlicher, oberhalb Dakkeh gelegene Höhlentempel ist der von Wadi Sebua. Einst dem Amun und Re geweiht, verbirgt er sich in einem kleinen Hügel. Eine im Sande verschwundene Allee von Sphinxen führte ehemals auf den gewaltigen Pylonwall zu, der die Stirn des Heiligthums bildet. Dahinter befand sich eine Halle von Osirispfeilern, die jetzt ebenfalls im Wüstensande begraben ist. Dann folgt der Tempel selbst, in den man nur gelangen kann, wenn man sich durch die Nubier, welche sich unberufen sofort einstellen, sobald eine Barke Europäer landet, einen Weg durch den Sand gra­ben lässt. In der christlichen Zeit in eine Kirche verwandelt, zeigt sein Inneres verschiedene Spuren dieser Metamorphose. In der hinter­sten Kammer befindet sich das Stuckbild des heiligen Petrus mit seinem grossen gelben Schlüssel, und von beiden Seiten überreicht ihm Pharao Ramses der Grosse seinen Opferstrauss. Der alte König meint eigentlich die ägyptischen Götter, die von dem Stuck bedeckt sind und unter der vergänglicheren Apollosfigur allmählig wieder hervordämmern und mit der Gelassenheit, welche Steinbildern eigen zu sein pflegt, abwarten zu wollen scheinen, wer am längsten das Feld behaupten wird.

Die Bewohner des Dorfes Wadi Sebua sind Beduinen und sprechen arabisch. Dann beginnt die Nuba-Sprache, die bis nach Wadi-Halfa gesprochen wird.

Alle bisher geschilderten Tempelruinen liegen auf dem linken, d. h. dem westlichen Ufer des Nil. Dagegen hefindet sich Korosko, die Einbruchsstation in die grosse nubische Wüste, auf dem rechten. Hier geht die Karawanenstrasse nach Kartum, dem südlichsten Punkte, wo noch einige Civilisation herrscht, südwärts hinein, um die unge­heuere Krümmung des Nils nach Westen, welche hier endigt, abzu­schneiden. Diese Wüste gehört zu den schlimmsten in ganz Afrika; denn auf dem ganzen, einige achtzig Stunden langen Karawanenweg findet sich nur ein einziges Mal und zwar so ziemlich in der Mitte etwas Wasser. Gleichwohl ist die Strasse sehr besucht und allent­halben , besonders aber gegen ihre Endpunkte hin, mit zahllosen Gerippen von Kameelen und Menschen bezeichnet, die hier verschmach­tet sind. Es sind sandige Thäler und Felscnpässe, unabsehbare,