Von Assuan bis Wadi Haifa. 205
Kummeh. Wer hinüber will, muss ein Floss haben, das von schwarzen Schwimmern geschoben wird. Felseninschriften, von Amenemlie 111. (Moeris) hier angebracht, bezeugen, dass vor viertausend Jahren der Nil um 24 Fuss höher stieg. Also haben die Katarakten sich soweit ausgewaschen, und kann der Nil die südlichen Länder um so viel weniger überfluthen, womit natürlich ihre Kulturfähigkeit abgenommen hat.
Der Anblick des Landes bleibt sich im Wesentlichen gleich: ein schmaler grüner Flussrand zwischen endlosen Wüsten. Es wird bewohnt von derselben schwarzbraunen Race der Barabra, dem schöngebauten friedlichen Volke, das seine schwerbesteuerten Wasserschöpfmaschinen im Gange hält und in fortwährender Furcht vor den Beamten und Soldaten des Paschas lebt. Ihre Hütten bestehen aus eingerammten Palmenstämmeu mit Strohmatten statt der Wände. Nur die Schechs oder Häuptlinge haben grössere erdgebaute Höfe, oft burgartig mit Pyramidalthürmen in den Ecken auf einer Nilinsel. Erst seit den zwanziger Jahren sind diese Länder unter ägyptischer Botmässigkeit. Sie wurden von eingebornen Häuptern, Melcks, d. i. Könige genannt, beherrscht, bevor Ismael Pascha, Mehemed Alis Sohn, in raschem Eroberungszug ihre Unterwerfung empfing.
Auch die alten Pharaonen herrschten schon bis hier hinauf, bevor andrerseits ein äthiopisches Reich bis an die Grenzen Aegyptens und auf kurze Zeit über Aegypten hinaus sich selbst ausdehnte. Wir treffen äthiopische und ägyptische Baudenkmale auf beiden Ufern. Erstere sind leicht zu erkennen an ihren runden, dicken, kraftlosen Formen.
Aethiopiscli sind die Teinpelsäulen von Amara, die auf dem östlichen Ufer aus der Wüste ragen. Auf ihrem Umfang fand man eine wohlbeleibte Königin von Meroe, wie sie Opfer bringt, vielleicht die berühmte Kandake, die mit den Römern Krieg führte. Altägyptisch dagegen ist der auf dem linken Ufer am Rande der flachen gelben Wüste gelegene grosse Tempel von Soleb. von dem jetzt nur gewaltige Haufen von Steinblöcken und malerische Gruppen von Knospenkapitälsäulen übrig sind. Der Tempel gehört Amenophis III. Auf der Rundung einer Säule lässt er seine gefesselten Gefangenen, Sinnbilder asiatischer Städte, aus ihrem Namensschild ragen. Dass die ägyptischen Könige hier grosse Tempel bauen und dass sogar noch weiter oben in Granitbrüchen die Namen der ältesten Herrscher des neuen Reiches erscheinen, ist ein Beweis, dass dieser Landstrich schon in sehr früher Zeit festes Besitzthum der Pharaonen war.
Weiter aufwärts, auf der Nilinsel Aryo, liegen zwei nur auf der Vorderseite vollendete Kolosse sammt ihrer Fussplatte, mit der sie eins sind — nach den plumpen Formen zu schliessen, abermals äthiopischer Styl.
Von Neu-Dongola an, einer Stadt mit belebtem Bazar, lässt der Nil sich wieder befahren. Es ist noch immer jene grosse westliche Krümmung, die durch jene directe Wüstenfahrt abgeschnitten wird. Bevor wir zu dem Orte kommen, wo der Karawanen weg den Fluss wieder erreicht, gelangt man zu der Stätte der altätliiopischen Haupt-