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In der Heimat - In der Schweiz - In Österreich : mit einem Bildnisse / von Alfred Birk
Entstehung
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1. Primiero und Feltre

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wirst mein Stecken sein und mein Stab! Ein prophe­tisches Wort . . .

Das war am 23 . Jänner 1799. Der Knabe wurde auf den Namen Nikolaus Alois Maria Vincenz getauft. Es war ihm eine sonnenhelle Kindheit beschieden; als das Kind wohlhabender Leute wuchs er, wies damals Sitte war, frei und ohne Schulzwang auf, nur der ver­ständnisvollen Leitung eines tüchtigen Hofmeisters anvertraut. Serafino Pastorini war gewiß nicht vom gewöhnlichen Schlage der Hauslehrer; es steckte in ihm etwas vom Geiste jenes griechischen Philosophen, der in der Natur den Ausgangspunkt alles menschlichen Wissens und Könnens erblickte; er erweckte in dem empfänglichen Knaben den Sinn für die Sprache und Schönheit der Natur, der ihm Zeit seines Lebens ge­blieben ist, wie seine Tagebücher und Briefe dies be­kunden, mögen sie nun von seinen Reisen berichten oder von den Fortschritten seiner Gartenpflege, der er namentlich in den sorgenvollsten Tagen des Lebens mit besonderem Eifer oblag, oder von den Blumen seiner Arbeitsstube. Für diesen Naturunterricht bot das Tal von Primiero reiche und vielseitige Gelegenheit, tiefe und nachhaltige Anregung. Die saftigen Wiesen und Weiden, die den Cismone-Bach umsäumen und in denen die Ortschaften längs des schmalen Pfades sich folgen wie lose gereihte Perlen an einer Schnur; die großartigen Dolomiten, die mit ihren rötlich-kahlen Felswänden und ihren zerrissenen Formen in Höhen bis dreitausend Meter emporsteigen und gegen Norden einen Hintergrund von überwältigender Schönheit bilden; der schluchtähnliche unheimliche Engpaß, durch den der Cismone-Bach sich den Weg gegen Süden, in die italienische Ebene bricht; und nun dieser Cismone selbst, der zur Zeit der Schneeschmelze oder

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