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I. In der Heimat
nach langwährenden Regengüßen mächtig anschwoll, seine Wassermengen über die ungeregelten und ungeschützten Ufer warf, und Wiesen und Weiden und Ortschaften mit dem abgeschwemmten und losgerissenen Steingerölle bedeckte! So sah der Knabe neben der anmutigen Schönheit und neben der prächtigen Majestät der Natur auch die tückische Grausamkeit und die unheimliche Macht der Naturgewalten und in seiner grübelnden und fragenden Weise mag er wohl manchmal darüber nachgedacht haben, ob hier mit Menschenkraft und Qotteshilfe nicht eine wohltätige Änderung geschaffen werden könne?
Aber auch hehre Menschenkunst offenbart sich dem jungen Negrelli in seiner engeren Heimat. In der Nähe seines Geburtshauses erhebt sich die im Jahre 1400 erbaute Pfarrkirche, ein vornehmes gotisches Bauwerk, das wertvolle Gemälde und Schätze birgt: kostbare Kelche und ein Reliquienkästchen in gotischem Stile aus den edlen Erzen ausgeführt, die einst in nun brachliegenden Bergwerken Primieros gewonnen worden waren; im Nachbarorte Transacqua ist ein echter „Tizian“, ein heiliger Markus zu sehen; etwas weiter liegt auf der Höhe Castel Pietra, ein altertümliches Schloß, heute eine Ruine . . . Hier mag in Negrelli, weise geleitet von seinem tüchtigen Mentor, jene tiefe Neigung für Architektur und Malerei aufgekeimt sein, die allezeit das stille Glück und das sonnige Sehnen seiner Tage war; hier dürfte der Grund gelegt worden sein zu dem großen Verständnis für schöne Formen und Linien, das ihm eigen war und sich mit einem bedeutenden Talent für Zeichenkunst und Malerei glücklich verband. Es ist kein Zweifel: hätten die Verhältnisse, die wir noch kennen lernen werden,