4. Lehr- und Wanderjahre
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aber er hält sich wacker; er ist zufrieden mit seiner „Aufführung“ seinem Engel gegenüber; „am 13. April des Jahres 1823 ging Niemand glücklicher zu Bette als ich“. Am folgenden Morgen tritt er die Reise an; sie muß am ersten Tage in Sterzing enden, weil das aus Italien zurückkehrende Militär die Straße besetzt hält; am nächsten Abend wird Brunecken erreicht; Negrelli stellt sich dem Kreishauptmann und dem Kreisingenieur vor; der Erstere läßt ihn lange „antichambrieren“. Ein Kreishauptmann war damals eine gewaltige Person; er regierte in seinem Kreise wie ein Vizekönig, war der Mittelpunkt der Gesellschaft und führte ein — wenigstens äußerlich — glänzendes Leben; ihm war ein Baupraktikant, noch dazu ohne anerkannten Adel, natürlich nur eine Persönlichkeit, der man die Kluft, die ihn vom Kreishauptmanne trennt, scharf bemerkbar machen mußte. Negrelli war allerdings sehr unwillig darüber; in Innsbruck geschah ihm dies nicht; der angesehene Name seiner Familie und sein vornehmes, taktvolles Auftreten hatten ihm dort in den ersten Kreisen der Gesellschaft Eingang verschafft. In tiefem Schnee geht die Reise über das Toblacherfeld; Hunger und Müdigkeit stellen sich ein und vermehren die Beschwerden der Fahrt. Am Abend des 16. April wird Ampezzo erreicht. An Feldarbeiten ist der Witterung wegen nicht zu denken. Negrelli bereist die in Vollendung begriffene italienische Strecke. Er sieht viel Neues und Vortreffliches. In Belluno, wo er das Theater besucht, erfaßt ihn heißes Sehnen nach der nahen Heimat. Dann kehrt er nach Tirol zurück. In Borea muß er in einem Wirtshause übernachten, in dem ihn die Sorge wegen der „Krätze“ nicht schlafen läßt. In Ampezzo feiert er mit dem Richter Constantini, einem Mitkämpfer und Leidensgenossen seines Vaters, den Jahres-