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I. In der Heimat
Gewölbte Brücken baute man bis zu 120 Fuß Spannweite; man scheute auch nicht mehr vor der Anwendung flacher Bögen zurück. Über Wildbäche, kleine Flüsse oder Wassergräben spannte man ausschließlich Gewölbe aus Quadern oder Ziegeln, wobei das Ziegelmauerwerk mit Steinen verkleidet wurde.
Das Eisen war in England, vereinzelt auch schon in Deutschland, zu Brückenbauten verwendet worden. Österreich stand dem neuen Baustoff etwas zurückhaltend gegenüber. Seine Einführung beginnt hier mit dem Baue der Kettenbrücke über einen Arm des Marchflusses auf der dem k. k. Kämmerer Grafen von Magnis gehörigen Herrschaft Straschnitz in Mähren im Jahre 1824. Man setzte große Hoffnungen auf dieses System, so daß noch vor Vollendung der zweiten Kettenbrücke Österreichs, der nur für Fußgeher bestimmten Sofienbrücke über den Donaukanal in Wien, hier im Jahre 1824 eine Aktiengesellschaft für den Bau von Kettenbrücken sich bildete. Gerade für die in Tirol geplanten Gebirgsstraßen und städtischen Brückenbauten schien das neue System besonders geeignet.
Über die Reise nach Wien fand sich ein Tagebuch in Negrellis Nachlaß — mit Stift und mit Kiel in zierlichen Buchstaben und köstlichem italienisch-deutschen Stil geschrieben. Naiv und wißbegierig schaut Negrelli das sonnige Wien jener Tage und sein frohes Leben; aber er steht diesem und jenem, was er sieht, kritisch gegenüber. Italienisches Denken und Fühlen steckt ihm noch tüchtig im Blute — nicht selten sieht er die deutsche Donaustadt mit recht italienischen Kritikeraugen an. In den Bildergalerien Esterhazys, Liechtensteins und des Belvederes sucht er zunächst die italienischen Meister auf; „die anderen Schulen, die niederländische, französische, spanische und deutsche, die