6. Vorarlberg
67
hier gerne gesehen. Er besitzt großes Talent für die Veranstaltung gesellschaftlicher Unterhaltungen; sein vornehmer Geschmack macht sich in der Dekoration der Säle, in den Entwürfen der Kottillons, in der ganzen Anordnung besonderer Festlichkeiten mit Erfolg geltend; nicht ohne freudigen Stolz verzeichnet sein Tagebuch jeweils den Beifall, der ihm als „Festarrangeur" zuteil wird. Sein Taktgefühl hilft über manche Verstimmungen und Verdrießlichkeiten hinweg, wie sie in dem gesellschaftlichen Leben unvermeidlich sind. Zwischen Zivilisten und Offizieren kommt es ab und zu auch in Bregenz zu Reibereien, in die auch Negrelli wider Willen hineingezogen wird; aber er weiß sich Achtung zu erringen und Genugtuung zu verschaffen.
Negrelli erlebt in Bregenz den ersten schweren Schlag in seinem idealen Liebesieben: sein Engel, seine „unvergeßliche Freundin“ Gräfin Nanni Sarnthein erliegt im jugendlichen Alter ihrem unheilbaren, langsam verzehrenden Leiden. Stürmischer als je begehrt nun sein Herz nach Liebe. Wie ein banger, mächtiger Schrei heißer Sehnsucht nach einem Herzen, das ihm Gegenliebe bringt, klingt es oft und immer häufiger durch das Tagebuch. Das höchste Glück der Erde dünkt ihm ein braves, treues Weib — das höchste Unglück eine böse Frau, die dem Manne verständnislos zur Seite steht ....
Im August 1827 hat Negrelli eine Reise nach Wien unternommen. Das Tagebuch dieser Reise ist verloren gegangen. Auf der Heimreise im Oktober lernt er im Postwagen ein Mädchen kennen, das sofort sein Herz und seine Sinne gefangen nimmt und das — wie es scheint — auch dem vornehmen und hübschen Jünglinge gegenüber nicht unbefangen geblieben ist. Von Bregenz aus erkundigt sich Negrelli über seine Reise-