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III. In Österreich (1840 bis 1848)
gedrungen ist, läßt sich nicht mehr bannen. Die demokratische Bewegung gewinnt immer mehr die Oberhand; die „Verfassung“ soll — so verlangt man — vom Volke ausgehen, nicht vom Kaiser verliehen werden; das Zweikammersystem wird bekämpft, weil es den Adel und den Klerus begünstigte. Am 9. Mai werden zwei neue Ministerportefeuilles gebildet: Joseph Freiherr von Doblhoff wird Minister des Handels- und Ackerbaues, Hofrat Andreas von Baumgartner 79 ) Minister der öffentlichen Arbeiten; wenige Tage darnach findet die „Sturmpetition“ der Demokraten statt; sie verlangt die Sanktionierung des Zentralkomitös der Nationalgarde, das der Oberkommandant der Qarde Graf Hoyos als unkonstitutionell und unstatthaft nicht bestehen lassen will und kurzerhand aufgehoben hat. Studenten, Nationalgardisten, Arbeiter und Pöbel, mit Gewehren, Hacken und Schaufeln bewaffnet, ziehen vor die Hofburg; das Ministerium rät zur Nachgiebigkeit; das Zentralkomitee der Nationalgarde wird sanktioniert und als die Menge, durch den Erfolg ermutigt und angespornt auch die Anerkennung der demokratischen Forderungen verlangt, wird auch diese vom Ministerium und Kaiser zugesagt und am nächsten Tage offiziell ausgesprochen. Die unmittelbare Folge dieser Ereignisse ist die Abdankung des Ministeriums, das sich außer Stande fühlt, die Krone zu schützen. Der Kaiser und der Hof verlassen das Lustschloß Schönbrunn und begeben sich über Wels und Salzburg nach Innsbruck, um weiteren Sturmpetitionen auszuweichen. Diese Nachricht wirkt im ersten Augenblick niederschmetternd auf den größten Teil der Bevölkerung. Man ahnt Unheil; man fühlt die Notwendigkeit, wieder Ordnung, Ruhe und Sicherheit herzustellen, denn überall taucht das Schreckgespenst der Republik