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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Erster Band
Entstehung
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und Handelsplätze Wien, Rosdorf, Linz, Eperasburch (Ebelsberg) und Mautern. Die an­gesehensten Bewohner der Provinz beschworen in Gegenwart der kaiserlichen Abgesandten auf die Frage des Markgrafen Aribo, dass seit den Zeiten der Könige Ludwig (des Deutschen) und Karlmann in der Ostmark folgende Zollabgaben bestanden:

Schiffe, welche den «Passauerwald» passiren und irgendwo anlegen, zahlen eine halbe Drachme und dürfen alsdann nach Belieben Handel treiben. Schiffe, die bis Linz hinab fahren, geben vom Salze drei halbe Metzen oder drei Scheffel; «von Sclaven und anderen Waaren wird dort kein Zoll bezahlt.» Baiern und Slaven, welche Lebensmittel einhandeln, sind mit- sammt ihren Pferden und Ochsen zollfrei. Die Mährer und Böhmen geben von einem Saum Wachs einen Scoter (= '/ 2 Drachme). Eine Sclavin wird einem männlichen Pferde gleich ge­schätzt; man bezahlt bei ihrer Einfuhr einen Drittelschilling, von einem Sclaven oder einer Stute eine «Saiga» (= 3 Denare). Wer mit den Mährern Handel treiben will, zahlt von jedem Schiffe einen Schilling. «Jüdische Kaufleute, sie mögen woher immer kommen, zahlen von Waaren und Sclaven einen billigen Zoll» u. s. w.

Man sieht hierin ein ganz beiläufiges Bild der uranfänglichen Verhältnisse, aus denen sich der Industrialismus unserer Länder emporarbeitete. Er hat ein mehr als tausendjähriges, mühseliges Wachsthum aufzuweisen. Unzählige Hindernisse waren zu überwinden, bevor sich der unscheinbare Sprössling zum kräftigen, ansehnlichen Stamm entwickelte. Seine Geschichte ist noch nicht geschrieben; auch die nachfolgenden Blätter wollen sie nicht bieten. Es mag genügen, an jenem Stamm einige Jahresringe zu zählen.

Das Mittelalter sah in Handel und Gewerbe so recht eigentlich die «bürgerliche Nahrung.» Ihr Werden und Wachsen war bedingt durch die Entstehung und Förderung städtischer Gemeinwesen. In der Ostmark waren es die Babenberger, in Böhmen die Premys- liden, in Carentanien die steirischen Ottokare, die sich als Städtegründer die grössten Ver­dienste erwarben. Also entstanden die wohlprivilegirten Städte Mauthausen, Melk, St. Pölten, Stein, Tulln u. A. m. Das 1212 der Gemeinde Enns verliehene Stadtrecht wurde das Mutter­recht für die späteren österreichischen Stadtrechte; selbst das von Wien (1221) fusst auf dem­selben. Bereits um die Mitte des 12. Jahrhunderts nahm Graz einen gewissen Aufschwung. Der damalige Handel Wiens mit Italien gieng durch die Steiermark, entweder über Enns, Steyr, Rottenmann nach Judenburg oder über Wiener-Neustadt und Bruck eben dahin.

Weiter zurück reicht die erste Blüthe der Stadt Prag. Deutsche Kaufleute, die dorthin kamen, Hessen sich dauernd nieder, so auf dem Wyschehrad und in der Vorburg unter dem Hradschin am rechten und linken Moldauufer, wo schon im Jahre 1039 von geräumigen Marktplätzen die Rede ist. Der erste König des Landes, Wratislaw II., gab den neuen Ansiedlungen, besonders auf dem Poric, die ersten Privilegien, die von seinen Nachfolgern bestätigt und erweitert wurden. Wenzel I. gründete im Prager Burgflecken die soge­nannte Neustadt bei St. Gallus; es folgte jenseits des Flusses die «Neue Stadt unter der Prager Burg» oder «die Kleinere Stadt» (Kleinseite). Allmälig entwickelte sich in der Altstadt ein eigenes Recht, das Prager Stadtrecht. Nach dem Muster dieser Schöpfungen wurden in einzelnen Vororten königlicher Schlösser auf dem Lande deutsche Städte ins Leben gerufen. Unter Ottokar I. entstanden nachweislich die Städte Grätz (Königgrätz) und Kladrau; unter Wenzel I. Budin, Kommotau, Leitmeritz, Saaz; unter Ottokar II. aber Aussig, Beraun, Brüx,