materiellen, wirthschaftlichen und wenn sich die moralischen Factoren damit vereinigen des staatlichen und gesellschaftlichen Fortschrittes. Aus Chemie und Technik erstand die moderne Gross-Industrie, und auf den Schultern der letzteren erhebt sich die gewaltige Finanzkraft, die den Staat der Neuzeit trägt und ermöglicht.

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Mannigfaltiges Gewerbe ist in Oesterreich schon alt. In unvordenklicher Zeit wurde in Schlesien, Böhmen und Mähren Linnen gewebt und auf den sonnigen Matten der Gebirge gebleicht. Kleinhäusler arbeiteten zum Verkaufe, und so entstand eine ausgebreitete Haus­industrie. Von freundlich gesinnten Magnaten gerufen, wanderten in Böhmen, Mähren und Schlesien kunstfertige Niederländer ein, welche die Tuchmacherei einbürgerten. Frühzeitig begegnen wir dort auch der Glasmacherei und zahlreichen anderen Gewerben.

Ein zweiter Mittelpunkt der österreichischen Industrie war Wien, als Sitz kunstliebender Fürsten und Vorort nach dem Oriente, welcher letztere damals weit reicher war als das ger­manisch-romanische westliche Europa. Seiner günstigen geographischen Lage entsprechend, hatte Oesterreich nicht nur im Handel mit dem Südosten die Vorhand, sondern Wien ent­nahm auch von Byzanz mit seinen aus dem Alterthume ohne Zerstörung herübergeretteten Gewerben manche Kunstfertigkeit, von denen beispielsweise die Goldspinnerei und Bereitung feinen Leders noch bis in die Gegenwart hereinragt.

Einen dritten starken Kern bildete dann noch die Eisen-Industrie der Alpenländer. Schon die Römer kannten den Stahl der Alpen und eroberten die Erde mit dieser Waffe. Die Eisengewinnung am Erzberge hat wohl auch in den stürmischesten Zeiten der Völkerwande­rung nie ganz aufgehört, und als die Verhältnisse mit Karl dem Grossen und den sächsischen Kaisern sich befestigten, als Friede ward und das Flaus Habsburg die Alpenländer unter seinem milden Scepter vereinigte, da vermehrte sich die Erzeugung des Rohmateriales und es begann an den Wassergefällen in Steiermark, Kärnten, Krain und den Erzherzogthümern die Verarbeitung von Eisen und Stahl kräftig aufzublühen. Von den 50.000 Saumrossen, die im Venetianer Handel über die Alpen giengen, trug ein namhafter Theil den Stahl, den Draht, die Nägel, Sensen, Sicheln, Messer und Scheeren Innerösterreichs nach der grossen Handels­stadt der Adria, und die dort auslaufenden Galeeren verbreiteten die werthvolle Waare im Oriente und im ganzen Umkreise des Mittelmeeres, ein Handel, der um so vortheilhafter sein konnte, als die concurrirenden Industriezweige Englands und des Deutschen Reiches damals noch kaum mitsprachen; auch die jetzt so blühende Kleineisen-Industrie der Rheinlande ist ein Ableger unserer alpenländischen Industrie.

Der Vorzug Oesterreichs im Mittelalter war seine grössere Nähe bei den Mittelpunkten von Industrie und Handel in damaliger Zeit: dem byzantinischen Reiche und Italien. Mit ersterem stand Oesterreich durch die Donau, mit letzterem durch die leicht zugänglichen Pässe der Ostalpen in Verbindung. Der ostindische Handel war damals überwiegend Landhandel und gieng über Byzanz und über die kleinasiatischen, syrischen oder ägyptischen Städte. Der Schwerpunkt des Handels lag im Mittelmeere, während die Atlantis noch von Dunkel bedeckt erschien.

All das änderte sich mit der Eroberung von Byzanz durch die Türken (1453) und der Entdeckung von Amerika (1492), sowie der Auffindung des Seeweges nach Ostindien (1498).

Jetzt hörte Byzanz auf, das Paris und London der damaligen Zeit zu sein. Jetzt ver­wandelte sich die grosse Industrie- und Handelsstadt in ein Arsenal gegen Europa und be-

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