Kunstgewerbe erträgnisreichen Boden, nämlich der Graveur- und Siegelstecherkunst. Die Nachfrage nach Petschaften in den verschiedensten Formen, von den Uhranhängseln und Siegelringen bis zu den auch heute noch in Verwendung stehenden schweren Metall-Siegelstempeln brachte das »Graveurgeschäft« zu einer Blüte, wie sie in unserer Zeit kaum mehr wiederkehren dürfte. Ein weiteres Moment, bei dem die Papier-Confection schon etwas näher betheiligt war, sollte noch hinzutreten. Dieses Moment lag in dem nach und nach sich einbürgernden Gebrauche, zum Verschlüsse der Briefe statt des üblichen Siegellackes eigene, aus Papier hergestellte sogenannte Siegeloblaten zu verwenden. Letztere boten durch die bequeme Handhabung und durch die Sicherheit des Verschlusses gewiss nicht zu unterschätzende Vortheile, und es war in Wien zuerst die Firma Franz Theyer, welche ungefähr im Jahre 1836 sich darauf verlegte, solche Siegeloblaten, allerdings in primitivster Weise, zu erzeugen. Von der k. k. Hofkammer wurde ihr ein Patent hiefür bewilligt. Die Herstellungsweise dieser Siegeloblaten war folgende: Buntpapier, Gold-, Silber- oder färbiges Metallpapier wurde in Blätter geschnitten, mit der farbigen Seite über Pappendeckel gespannt und nun auf der Rückseite mit einem Klebemittel bestrichen. Nach dem Trocknen wurden auf einer primitiven Ausstanzpresse (wie sie heute noch im Geschäfte Theyer und Hardtmuth vorhanden ist) mit hiezu angefertigten Ausschlagstempeln aus dem aufgespannten Papiere kleine Scheibchen gestanzt, die nach Form und Grösse zu den Prägestempeln passten. Durch Einpressung in eine Matrize wurde dann die Prägung erzielt, nach der jedes einzelne Scheibchen oder Blättchen mit der Pincette aus der Matrize weggeholt werden musste.

Bei den in Farbe gepressten sogenannten »Congrefe«-Siegeln wurde vor dem jedesmaligen Pressen die Fläche des Stempels mit Farbe betupft, und zwar mittelst Ballen, wie sie einst bei den Buchdruckern im Gebrauche standen. Die gleichmässige Vertheilung der Farbe konnte eben nicht anders als durch Gegeneinanderdrücken zweier solcher Ballen erzielt werden. Bei den Bronzesiegeln wurde nach der Farben­pressung auf jedes einzelne Blättchen das Bronzepulver mit dem Pinsel aufgetragen; die Papiersiegel mit Wappen und Wappenfarben wurden durch Handmalerei, nicht selten unter Anwendung der Lupe, her­gestellt. Nebenbei mag erwähnt werden, dass im Jahre 1848 dreifärbige Siegelmarken in schwarz, roth, gold zur Ausführung gelangten, die aus drei übereinander gelegten Scheibchen bestanden. Die »Ob­laten« erfreuten sich im Allgemeinen eines lebhaften Anklanges und kamen bald in den verschiedenartigsten Formen und Ausführungen, mit dem Anfangsbuchstaben, mit 'Wappen, Namen, Kronen versehen, vielseitig zur Anwendung, und erhielten dadurch mehr und mehr den Charakter von Siegelmarken, mit welchem Ausdrucke sie später, Ende der Sechzigerjahre, auch bezeichnet wurden.

Es war nun ein naheliegender Gedanke, die Stempel, die zur Herstellung der Oblaten dienten, auch gleich zur Prägung des Briefpapieres selbst zu benützen, und in der Ausführung dieses Gedankens durch Franz Theyer, der Ende der Vierzigerjahre solche geprägte Briefblätter herstellte, ist nun nicht mehr und nicht weniger als der erste schüchterne Schritt zur Erzeugung der Luxuspapiere in Oesterreich, der Anfang der Papier-Confection in unserem Vaterlande, zu begrüssen. Die Erfolge, die Franz Theyer mit seinen Neuerungen und Versuchen in der angegebenen Richtung erstrebte, reiften nur langsam. Der Kreis der Abnehmer war beschränkt, im grösseren Wiener Publicum war das richtige Bedürfnis für Papier- specialitäten nicht vorhanden, dennoch konnte Franz Theyer mit diesem Geschäftszweige ziemlich zu­frieden sein.

Was er, unterstützt durch zwei Hilfskräfte und mit seinen primitiven Werkzeugen erzielte, zeigt ein Blick in die Buchhaltung seiner Arbeitsstätte.

Wir finden im Jahre 1847 einen Reingewinn von 1884 fl. ö. W. ausgewiesen, ein Betrag, mit dem unter den damaligen Verhältnissen eine Familie anständig erhalten werden konnte. Bei diesem kleinen Erfolge Franz Thevers sollte es auf Jahre hinaus sein Bewenden haben.

Die erste bemerkenswerthe Neuerung in der Herstellung des Prägeschmuckes, eine Neuerung, von der man zwar nicht sagen kann, dass sie in der Ausführung hochgespannte künstlerische Anforderungen befriedigte, die aber immerhin zu einer gewissen Popularisirung dieser Briefzier Vieles beitrug, sollte vom Auslande her ihren Weg nach Oesterreich nehmen.

In den Jahren 1855 bis 1860 hatte es nämlich die französische Industrie dahin gebracht, durch zweckmässige Einrichtungen, die für den Handgebrauch und die Benützung einer gewöhnlichen Spindel­presse berechnet waren, jeden Papierhändler in die Lage zu versetzen, seinen Kunden sofort auf Ver­langen jeden Bogen mit der Prägung gewünschter einzelner Buchstaben, Namen, ja durch Zusammen-

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