Wir kommen nun in jene Abtheilung, wo Parte- und Condolenz-Papiere mit dem üblichen Trauerrand versehen werden; theils durch Handarbeit, theils durch Maschinenbetrieb wird auf den Papierrand die schwarze Farbe aufgetragen, und vielfach sind die Variationen, die auch bei diesem düsteren Schmucke von der Mode verlangt werden. Die vielfach gebräuchliche stoffartige Pressung bei Trauerparten wird durch gravirte Platten in den Farbrand eingeprägt. Die Herstellung der »Parte« ist heute zu einem sehr bedeutenden Zweige der Wiener Papier-Confection geworden.

Einige der wichtigsten Räume der Fabrik haben wir erst jetzt zu betreten; sie sind der Herstellung und Ausfertigung der Cartons und Cassetten gewidmet. Wie wir schon früher erwähnten, ist in jüngster Zeit im Geschmacke des Publicums eine gewisse Wandlung eingetreten. Man kommt von der überreichen Briefzierde zurück und wendet sich wieder den feinen, eleganten, glatten Papieren zu, man legt das Haupt­gewicht mehr auf die Ausstattung der Briefcassette. Und das hat gute Gründe.

Es lässt sich ja nicht leugnen, dass schon im Formate und in der Bestimmung des Briefbogens der Verzierung desselben gewisse Grenzen gegeben sind, die, ohne gegen den guten Geschmack zu ver- stossen, kaum überschritten werden können; alle diese Begrenzungen aber fallen hinweg, wenn der Carton, die Cassette, zum Gegenstände der Ausstattung gemacht wird.

Abgesehen davon, dass der innere Raum der Cassette in der raffinirtesten Weise eingetheilt und mit den feinsten Stoffen, mit den zartesten Farben geschmückt sein kann, so steht dem Decor auf der Aussenseite ein unbegrenztes Feld offen. Jeder Zoll ist hier verwendbar, jede Farbe, jede Abtönung, die classische Ornamentik wie das reichste Dessin kann hier zur Darstellung gebracht werden. Und heute hat sich nun auch die Herstellung der Cassetten in dieser Richtung entwickelt. '

Wir sehen nun einfache und reich ausgestattete Cartons und Cassetten, den Schmuck in harmonischer Prägung mit dem inliegenden Papiere tragend, dann aber wieder Cartons und Cassetten mit selbstständigem, künstlerisch ausgeführtem Decor im classischen Styl, in Rococo, Renaissance-, Vieux Sachs-, Alt-Wien-, Congressstyl, im japanischen Styl, und alles in einer Ausführung, die als absolut vollendet bezeichnet werden muss; wir finden beim äusseren Schmuck der Cassette das Papier verwendet zur Imitation fast jedes anderen Stoffes, wir finden Cassetten in Leder-, Holz-, Elfenbeinimitation in einer Weise hergestellt, dass die Fachindustrien in der Erzeugung ihrer Galanterieartikel sich fast beengt und beunruhigt fühlen, und es dürfte wirklich kaum ein Gebiet der Galanteriearbeit geben, das für die Industrie der Papier- Confection unerreichbar schiene.

Und alle die einzelnen Bestandtheile dieser Cassetten, vom ersten Blatt Papier bis zum letzten äusseren Decor, sie werden in der Fabrik vor unseren Augen ausgefertigt und zusammengesetzt, sie werden geprägt, geschmückt, geheftet und gefalzt, mit Maschinenbetrieb und Handarbeit, wir sehen sie fertig aus der Hand des letzten Arbeiters hervorgehen.

Im Hinblicke auf diese Leistungen darf man mit Recht sagen, dass die Herstellung der Cassetten die höchste Stufe ist, welche die Industrie der Papier-Confection bis heute in Wien erreicht hat.

Wie weit diese Entwickelung noch reichen wird, lässt sich derzeit wohl kaum Vorhersagen.

Wenn wir nun noch der weiteren Räumlichkeiten der Fabrik gedenken, in denen nicht unwichtige Zweige der Papier-Confection betrieben werden, wie z. B. die unentbehrliche Buch- und Steindruckerei für Accidenz-Druckarbeiten, die Färbung des in Instituts- und kaufmännischen Kreisen vielfach verwendeten Indigo-Copirpapieres, eines Artikels, dessen hiesige Provenienz im Allgemeinen wenig bekannt ist, der aber heute bereits nach dem Auslande exportirt wird, so können wir den Rundgang durch unsere Fabrik im Ganzen als abgeschlossen betrachten.

Macht man sich einen Begriff davon, welchen W T eg, wie viele Hände solch ein Brief- oder Couvert­blatt zu durchlaufen hat, bis es verkaufsgerecht ist?

Und doch sind diese Blätter, wenn sie der vollen Cassette entnommen werden, so frisch, so fleckenlos glänzend, als wären sie nie zuvor von einer Hand berührt worden.

Das wird aber allerdings erklärlich, wenn man die peinliche Nettigkeit und Reinlichkeit in den Arbeitsstätten sieht, wenn man beachtet, mit welcher Sorgfalt die Arbeiterinnen, unter deren kunstfertigen Händen die reizenden Verzierungen entstehen, die Blätter behandeln!

Wir haben den Rundgang durch die Fabrik beendet; er hat uns in grossen Zügen ein Bild des heutigen Standes der Papier-Confection, vielleicht, wenn auch in noch nicht ganz sicheren Zügen, ein Bild ihrer nächsten Zukunft geboten.

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