F. ROLLINGER

GESCHÄFTSBÜCHER-FABRIK, BUCHBINDEREI UND RASTRIRANSTALT

WIEN.

er Begründer des im Jahre 1800 unter bescheidenen Verhältnissen errichteten Geschäftes war Josef K ilian Rollinger, der von Mainz nach Wien einwanderte und sich bis zum k. k. Hof-Buchbinder emporarbeitete. Derselbe befasste sich nur mit dem Buchbinder-Handwerke und brachte dasselbe zu einer für die damalige Zeit ansehnlichen Höhe. Nach dessen Tode im Jahre 1849 führte seine Gattin Barbara das Geschäft durch einige Jahre weiter, während sein ältester Sohn Carl die erste in Oesterreich errichtete Rastrir-Anstalt im Jahre 1852 eröffnete und damit den Grundstein für die Ausgestaltung des heutigen Etablissements legte. Später vereinigten sich die beiden Brüder Carl und Franz zu einer Gesellschafts-Firma unter dem Namen C. & F. Rollinger.

Da man vor Errichtung einer Geschäftsbücher-Fabrik in Oesterreich grösstentheils nur primitiv erzeugte Einschreibebücher aus weissem, nicht geschöpftem, unsatinirtem und unlinirtem Papiere hatte, so entwickelten sich die Erzeugnisse dieses Geschäftszweiges im Laufe der Zeit zu einem unentbehrlichen Bedarfsartikel. Die Einbände wurden nun nicht mehr wie früher nur aus Gradl oder Leinwand hergestellt, sondern der grösseren Dauerhaftigkeit wegen auch mit Rücken und Ecken aus Leder versehen oder ganz aus Leder verfertigt, wobei zur besseren Aus­stattung Pressungen in Blind- oder Golddruck verwendet wurden. Auch kommen nicht selten grosse Geschäftsbücher mit Metallbeschlägen und sperrbaren Schlössern vor.

Hand in Hand mit den Buchbinderarbeiten giengen auch die Linirarbeiten, die man jetzt in Verwendung mit Buchdruck oft in äusserst complicirter Weise durchführt.

Carl Rollinger konnte nicht lange die Entwickelung dieses Industrie-Unternehmens verfolgen, denn schon im Jahre 1863 starb derselbe und überliess seinem jüngeren Bruder Franz das Geschäft allein zur Weiterführung, welches von da ab bis heute unter der protokollirten Firma: F. Rollinger besteht.

Carl Rollinger hat in seinem unermüdlichen Schaffensgeiste nicht nur den Grund zu der gegenwärtigen Grösse des Fabriksunternehmens gelegt, sondern verbesserte auch die Betriebsmittel, da er sowohl bei der Federn- Rastrirmaschine wie auch bei den verschiedenen Buchbinderwerkzeugen Neuerungen ersann, welche dieFabrication erleichterten. Von weittragender Bedeutung war seine Erfindung eines patentirten Papierschneide-Handhobels, der unter dem Namen Rollinger-Hobel lange Zeit das einzige Mittel war, um grössere Quantitäten Papier in verhältnis­mässig kurzer Zeit zu beschneiden und durchzuschneiden und der im In- und Ausland Anwendung fand. Das Britische Museum in London bewahrt einen Prachteinband aus Ledermosaik, an dem Carl Rollinger selbst mitgearbeitet hat und der auf der Londoner Ausstellung 1862 zur Schau gestellt war. Carl Rollinger war Besitzer des goldenen Verdienstkreuzes mit der Krone.

Franz Rollinger w T ar es gegönnt, durch rastlosen Fleiss und unterstützt durch die mässige Hebung von Industrie und Handel in den Siebzigerjahren seinen Industriezweig zur eigentlichen Entfaltung und Blüthe zu bringen, die bei ihm erzeugten Bücher in allen Theilen von Oesterreich einzubürgern und bis nach andern Ländern und Welttheilen zu versenden. Durch stetes Bemühen, seine Erzeugnisse in Bezug auf Güte des Materials, geschmack­volle Ausstattung und Solidität in tadellosem Zustande auf den Markt zu bringen, hat sich Rollinger einen Weltruf erworben.

Auch um das Kunstgewerbe hat sich derselbe verdient gemacht, da er, unbekümmert um Gewinn, darauf bedacht war, die Buchbinderkunst in Oesterreich auf dem Gebiete der Bibliotheks- und Luxuseinbände auf eine sehr hohe Stufe zu bringen, w r as umso schwieriger w T ar, als man sich in früheren Zeiten bei der Besorgung von kost­spieligen Bucheinbänden mit Vorliebe an das Ausland, vornehmlich an Frankreich, w T andte.

Zur silbernen Hochzeit (1879) des allerhöchsten Kaiserpaares lieferte er für die verschiedenen Gemeinden Wiens und für die Provinz-Hauptstädte die Adressen, welche in der k. u. k. Hof-Bibliothek aufbewahrt sind.

Auf allen Ausstellungen, die er beschickte, in Wien, Paris, Triest, Calcutta, waren seine Erzeugnisse kleine Meistenverke in ihrer Art und wurden (wenn sie nicht »hors concours« u T aren) mit den höchsten Preisen bedacht.

Im Jahre 1873 besuchte die internationale Jury die Fabrik und sprach sich sehr lobend über die Einrichtung derselben aus, sowie auch über die Haltung der Arbeiter, denen Franz Rollinger stets ein gütiger und gerechter Herr war, an dem sie stets mit Anhänglichkeit und Treue hiengen.

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