Von den damals aufgetauchten zahlreichen Vorschlägen zur Besserung der Lage sei nur erwähnt, dass der Centralverein um Einführung von Exportbonificationen und Erhöhung des Zolles auf Colonialzucker petitionirte. In der That wurden Exportbonificationen in der Höhe von 7 fl. pro Metercentner für Rohzucker und fl. 8-6o für Raffinade eingeführt, welche jedoch keine besondere Wirkung hatten. Der in der General­versammlung des Centralvereines in Pressburg am 1. Juli 1860 vorgetragene Geschäftsbericht sagt hierüber:

»Was die bewilligte Exportbonification anbelangt, so konnten wir nicht constatiren, dass ein namhafter Export des Rübenzuckers stattgefunden hätte; wir mussten uns deshalb vorläufig mit der moralischen Wirkung dieser Maassregel begnügen. Die Ursache hievon liegt in dem Umstande, dass inländische Mittel­melisse in Triest den Preis von 29 fl. 50 kr. bis 30 fl. erhalten; hiezu der rückvergütete Steuersatz von 5 fl. 78 kr. pro Wiener Centner macht 35 fl. 78 kr., hievon ab Fracht, Fassage und Provision fl. 2-50, verbleibt ein Rest von 33 fl. 28 kr., während dieselbe Waare in Wien einen Preis von 36 fl. bis 37 fl. hatte, weshalb an eine Ausfuhr nach Triest unter den bestehenden Verhältnissen nicht zu denken ist.«

Eine Gesundung trat erst ein, als es wirklich möglich wurde, das Inland von den angesammelten unverwendbaren Vorräthen zu befreien, indem der Staat für den über die Grenze gebrachten Zucker die Steuer nicht nur zurückzahlte, sondern noch eine Prämie gewährte. Ueber Petition des Centralvereines für Rübenzucker-Industrie wurden nämlich die Ausfuhrvergütungen auf 10 fl. 60 kr. pro Metercentner Roh­zucker und 13 fl. pro Metercentner Raffinade erhöht. Damit war Oesterreich in die Reihe der Export­staaten getreten. Von diesem Wendepunkte an konnte sich die heimische Zucker-Industrie erst recht ent­wickeln; die Erzeugung stieg fast von Jahr zu Jahr, und die Ausfuhrüberschüsse überstiegen immer mehr die Verbrauchszunahme, zum grossen Vortheile der Staatscassa, der Handelsbilanz, der Consumenten und der rübenbauenden Landwirthschaft.

Der Geldwerth der Ausfuhr, der im Jahre 1864 nur 1V2 Millionen Gulden betrug, stieg bereits 1867 auf 10 Millionen, 1871 auf 30, 1878 auf 40, 1882 auf 74, 1891 auf 84, 1893 auf 94 Millionen, d. i. der höchste bisher erreichte Jahresgeldwerth. Der Geldwerth der in der Zeit 1864/97 ausgeführten Zucker­mengen beträgt 1445 Millionen Gulden.

Mit dieser Entwickelung der Rübenzucker-Industrie gieng Hand in Hand eine ständige Abwärts­bewegung der Zuckerpreise. Welche Ersparnis die Bevölkerung der Monarchie durch den immer billiger werdenden Zucker gemacht hat, davon gibt folgende Berechnung einen ungefähren Begriff, wobei an­genommen ist, dass der Preis des Zuckers auch ohne das Dazwischentreten des Rübenzuckers von Jahrzehnt zu Jahrzehnt um 10 fl. billiger geworden wäre. Wenn man unter dieser Voraussetzung die Menge des jährlichen Verbrauches mit dem Preisunterschiede gegenüber dem vorhergegangenen Jahrzehnt multiplicirt, so ergibt sich, dass die Consumenten durch die stets sinkende Tendenz der Zuckermärkte erspart haben: 1864 bis 1873 gegenüber dem Preise von 60 fl. die Summe von 58 Millionen Gulden, 1874 bis 1884 gegenüber dem Preise von 50 fl. 95 Millionen, 1885 bis 1895 gegenüber dem Preise von 40 fl. 230 Millionen. Die Summe aber, die sich ergeben würde, wenn man den vor Einführung der Rübenzucker- Industrie in der Monarchie bestandenen Preis von 70 fl. und mehr gegenüber den durch die Rübenzucker- Industrie erzielten Preisen zur Grundlage obiger Berechnung genommen hätte, erreicht die ungeheure Summe von 1800 Millionen Gulden.

Auch in technischer Beziehung waren in dieser Zeit grosse Fortschritte gemacht worden. In erster Linie ist hier der geschlossene Saturateur von Hodek und die von demselben Techniker durchgeführte Umgestaltung des Kalkofenbetriebes zu nennen. Für die chemische Contrôle construirte Hodek einen Titrir- apparat zur Bestimmung der Alkalinität, der noch jetzt, nach dreissig Jahren, vereinzelt Verwendung findet. Im Jahre 1878 construirten Wellner & Jelinek einen Verdampfapparat, welcher heute in fast allen Ländern der Welt dem österreichischen Erfindungsgeiste Ehre macht. Eine wichtige Neuerung war ferner die Ersetzung des Kupfers durch Eisen beim Baue der Vacuumapparate. Auch in der Saftreinigung wurden wesentliche Fortschritte gemacht. Die von Deutschland ausgehende Arbeitsweise ohne Knochenkohle fand auch bei uns Eingang und wurde durch das Karliksche Verfahren, sowie durch Construction verschiedener mechanischer Filter verbessert. Von den letzteren mögen hier genannt werden die Wellblechfilter von Breitfeld, Danëk & Co., die Schlauchfilter von Swoboda, die Filter von Anton Proskowetz, die Etagenfilter von Naprawil und die Niederdruckfilter »Claritas« von Matousek und Berounsky. An dieser Stelle muss auch die Erfindung der Rübenschwemme durch Riedinger in Bück rühmend hervor­gehoben werden, welcher Erfindung eine rasche Verarbeitung grösserer Rübenquanten zu verdanken ist.

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