In die Jahre 18541855 fällt der erste Versuch, von der Verdampfung bei offenem Feuer abzugehen. Es wurde nämlich zum Weiterverdampfen der filtrirten Säfte ein horizontales Heizrohrsystem von der Firma Ferd. Dolainski in Wien eingerichtet. Das Vorverdampfen geschah ähnlich wie früher noch bei offenem Feuer.

Ueberhaupt waren damals die Betriebsverhältnisse recht idyllische. Bei deren Betrachtung tritt erst der gewaltige Umschwung, der sich inzwischen vollzogen hat, deutlich hervor.

Sehen wir-, wie sich darüber Julius Sukup a. a. O. äussert:

Der Rübenspeicher, ein kleiner Raum, welcher die täglich leicht herbeigeschaffte Menge schlecht geputzter Rüben zu fassen hatte, beschäftigte 5 bis 8 Frauen; diese beschnitten die Rübe, befreiten sie von anhaftender Erde, angefaulten Theilen und warfen sie in die Waschmaschine; von dieser wurde sie mit Seil und Kurbel hochgezogen und in der Nähe der »Reibe« aufgeschüttet. Diese Reibe war ein Cylinder, aus vielen Sägeblättern zusammen­gesetzt und vom Ochsengöpel in rasche Umdrehung versetzt; an einer Seite war eine erhöhte, mit Seitentheilen wohl versehene Bank angebracht; auf dieser sass ein Mann, welcher ein Riese sein sollte und musste; denn dieser musste die von zwei Mädchen zum Reibcylinder geworfenen Rüben mittelst des sogenannten Poussoirs an den sich rasch drehenden Cylinder andrücken, und zwar that er dies abwechselnd einmal mit der rechten, das andere Mal mit der linken Hand, so dass er stets jenen Poussoir, welchen er angedrückt hatte, so weit zurückzog, dass ihm vor demselben Rübe zugeworfen werden konnte. Diese Arbeit erforderte einen eisenfesten Mann mit Riesenfäusten. Wie oft kam es da vor, dass diese »Dampfmaschine« den Dienst versagte und dann drei und mehrere Männer es nicht aushielten, sechs oder zwölf Stunden dessen Arbeit zu verrichten! Wie oft kam es vor, dass die Rübe zer­hackt werden musste, weil sie zu gross war, um in den Poussoircanal zu können! War sie nun einmal zerrieben, so fassten zwei Mann den Brei mit Schaufeln in Leinensäcke, welche zwischen Weidengeflechten nach Form der Pressen in diese eingelegt wurden; diese Weidengeflechte, sowie auch die Säcke mussten sehr fleissig in dünnem Kalkwasser gewaschen werden, denn sie gaben reichliche Gelegenheit zum Sauerwerden.

Die gefüllte Presse sollte nun so gut als möglich in Thätigkeit gesetzt werden; dazu waren an den Pumpen Hebel von acht und mehr Fuss Länge angebracht; an diesen standen vier und mehr Mann, welche das Unding auf Commando hoch hoben, um sich sodann raschest darauf zu schwingen, damit ihres Körpers Last den Hebel und damit den Piston der Pumpe niederdrücke.

Der Anblick der vier Kerle, welche alle, der eine hin, der andere her, auf dem Hebel liegen, diesen langsam herabzerren, war eine der Industrie-Idyllen jener Zeit! Das Platzen eines Pressackes oder Pressbeutels, wobei der Rübenbrei die vier Wände des Presssaales und mitunter auch die daselbst Arbeitenden verzierte, gehörte oft zu den erheiternden Momenten der gemüthlichen Zeit.

Von den Pressen gelangte der rohe Rübensaft in die Scheidepfannen, welche auf offenem Feuer standen und wo wohl die allerwichtigste Procedur vorgenommen wurde, denn die Scheidung musste stets ein Beamter besorgen, die Kalkmilchzugabe bei richtiger Temperatur dictiren, die Reaction auf einem Löffel beobachten und sofort, wenn es ihm vorkam, es gelänge nicht so, wie es recht sei, Entsprechendes vorkehren, die Temperatur durch verstärktes I'euer erhöhen, Kalk zugeben etc.

Mit dem Momente aber, als er das Zeichen gab, es sei der Kessel fertig, da musste der in Bereitschaft stehende Arbeiter auch schon mit der hölzernen Handspritze das Feuer löschen, denn sonst lief wohl so ein Kesselinhalt auf und davon. Die weiteren Episoden, das Trennen des klar geschiedenen Saftes von dem stets oben schwimmenden Schlamm, das Auspressen des letzteren in Säcken in den Spindelpressen, sowie das Filtriren über oben offenen, hölzernen Filtern vollzogen sich wohl mühselig mittelst Tragschaffein, und es gieng auch so mancher gute Tropfen verloren, aber es war dabei keine besondere Kunst auszuüben. Erst das Einkochen brauchte wieder den Zuckersieder vom Fache; kupferne, flache Pfannen mit Ausgussschnabel nach vorne, zwei Zapfen an der Seite, einen Haken hinten, an welchem ein Flaschenzug anfasste, waren die Gefässe, worunter ein munteres Feuer es zu Wege brachte, dass das Wasser den Saft verliess und dass dieser allmählich dickflüssiger wurde; dabei war zu beachten, dass die Flüssigkeit nicht anbrenne, dass sie noch fliessen könne, und dass sie trotzdem jenen Grad von Dichte bekomme, um so nahe als möglich an die Krystallisationsgrenze zu gelangen. Die sogenannte Blasenprobe war das Mittel, den richtigen Dichtigkeitsgrad zu finden; sehr fleissiges, eifriges Rühren bewahrte den Saft vor dem Anbrennen.

Diese Blasenprobe war oft Veranlassung zu ergötzlichen Scenen. Es musste der Saft in jenem Augenblicke, wo er fertig gekocht war, von einer runden, flachen, durchlöcherten Kupferscheibe an langem Stiele in Form von Bläschen weggeblasen werden können. Trat dieser Augenblick ein, so musste auch schon das Feuer unter der Pfanne erlöschen. Da gabs mitunter Püffe, wenn so ein Sud »sitzen blieb«, d. h. zu viel gekocht wurde, so dass er beim Pfannenschnabel nicht hinauslief. Wie feierlich war aber wieder der Augenblick, als die Männer an den Flaschenzug traten und Kübel um Kübel füllten! Da konnte man allemal an Schillers herrliches »Lied von der Glocke« denken: »Ziehet, ziehet etc. etc.«

Von da ab begann erst die »Kunst« des Zuckersieders. Sein Wissen, seine Erfahrung sind bei der Krystall- bildung im Kühler, beim Füllen in die thönernen Formen, bei der Behandlung des Zuckers in denselben, beim Decken mit weissem Thon u. s. w., bis der weisse (?) Zuckerhut in der mit Luftheizung versehenen Trockenstube paradirt. Er lässt es nicht mehr aus den Augen dieses sein Kleinod, und ich kann mich auch so recht auf den Stolz des Mannes erinnern, wenn er ausrief: »Das soll mir einer nachmachen«.

Auf diese primitive Weise, die Director Sukup so drastisch schildert, gieng noch vor vierzig Jahren der Zuckererzeugungsprocess vor sich. Aber bald kam es anders. Es beginnt die Herrschaft des Dampfes, die Chemie wendet sich intensiv der Zuckerfabrication zu und gestaltet dieselbe förmlich zu einer Wissenschaft aus.

In den Jahren 18591860 werden in Napagedl drei Cormvallkessel aufgestellt, das Gebäude wird mit einem Schornstein gekrönt. Eine Dampfmaschine treibt jetzt die Reibe, sowie auch die Presspumpen, wo die Hand-

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