Ortschaften ohne Beschränkungen verkaufen zu können. Mehr als ein halbes Jahrhundert dauerte dieser Kampf, der insbesondere für Böhmen von geschichtlicher Bedeutung geworden ist, bis im Jahre 1517 durch den St. Wenzelsvertrag diesen Zwistigkeiten ein Ende gemacht wurde. Dem Adel ward die Be­fugnis, Bier zu brauen und auf den städtischen Wochenmärkten zu verkaufen, eingeräumt, den Bürgern andererseits sind gewisse, früher bestrittene politische Rechte zugestanden worden. Thatsächlich hörte damit die Bierbrauerei auf, ein Monopol der Städter zu sein. In Schlesien wurden die Verhältnisse durch den sogenannten Ivolowratischen Vergleich geschlichtet, in Mähren im Wege der Uebung und des Her­kommens geordnet.

Die Braugerechtigkeit haftete in den Städten auf einer Anzahl brauberechtigter Häuser. Das Bier­brauen wurde theils in diesen, theils in eigens eingerichteten Brauhäusern, in diesem Falle gegen die Entrichtung des sogenannten Pfannengeldes für jedes Gebräu, vorgenommen. Erst in späterer Zeit änderten sich manchenorts die Verhältnisse in der Richtung, dass die Besitzer brauberechtigter Häuser einen Fond zur Errichtung und zum Betriebe eines gemeinschaftlichen Bräuhauses (Brauurbar) zusammenschossen. Auf diese Art entstanden in vielen Städten Böhmens, Mährens und Schlesiens die sogenannten bürgerlichen Bräuhäuser. Die Brauerei wurde von den Berechtigten ursprünglich selbst, und zwar der Reihe nach, ausgeübt, woher sich die Benennung »Reihe-(Riege-) gebräue« erhalten hat. Falls ein brauberechtigter Bürger ein in Folge der Rangbestimmung auf ihn entfallendes Gebräue nicht selbst vornehmen wollte, war es ihm gestattet, dieses Recht gegen entsprechendes Entgelt an einen anderen Bürger abzutreten.

Durch das Hofdecret vom 3. Februar 1786 wurde die entgeltliche Verwerthung der Braugerechtig­keit angeordnet. Das bürgerliche Bräuhaus wurde demgemäss entweder verpachtet, oder es entstand die Gepflogenheit, dass jeder Bürger, der ein Gebräu machen wollte, für die Ausübung dieses Braurechtes einen bestimmten Betrag an die bürgerliche Braucasse zu erlegen hatte. Den also eingegangenen Brau­nutzen vertheilten die brauberechtigten Bürger unter sich, nach Maassgabe ihrer Antheile (Brauränge), d. h. im Verhältnis jener Beträge, welche die ersten Begründer des Brauurbars geleistet hatten. Zur Verwaltung der Braucasse und zur Wahrung gemeinschaftlicher Interessen wurde häufig ein Bürgerausschuss gewählt.

Ursprünglich waren in den Städten die Bierbürger selbst Brauer. Erst später wurde dieses Ge­werbe von speciell diesen Beruf ausübenden Personen betrieben. Die Erzeugung des Malzes war Sache der Mälzer, während die Erzeugung des Bieres den Brauern oblag. Diese beiden Berufszweige waren strenge von einander geschieden. Schon die ältesten Urkunden sprechen von »brasiatoria« (Mälzereien) und »braxatoria« (Brauereien). Die brauberechtigten Bürger befassten sich sodann nur mit dem Bier­verkaufe in ihren eigenen Häusern.

Das Mittelalter hatte eine Wirthschaftsordnung geschaffen, die naturgemäss an die Arbeitstheilung anknüpfte und bei den städtischen Gewerben allmählich zur Zunftsverfassung führte. Diese bestand theils in marktpolizeilichen Bestimmungen, theils lag ihr Schwerpunkt in der Abgrenzung der Competenz zwischen den einzelnen Gewerben, in der Bestimmung der Rechte und Pflichten der Meister untereinander, wie jener der Meister zu ihren Gesellen und Lehrlingen. Eine solche handwerksmässige Ordnung treffen wir auch beim österreichischen Braugewerbe im Mittelalter an. War durch das Meilenrecht für die Sicherung des Absatzes, durch das Taxwesen für die Garantie eines entsprechenden Verkaufsnutzens Sorge getragen, so lag der Zweck der Zunftordnungen in der Tendenz, die Production auf einer gewissen technischen Vollkommenheit zu erhalten, insbesondere auch durch Heranziehen eines tüchtigen Nachwuchses.

Jene Gewerbsgenossen, denen berufsmässig das Mälzen und Brauen zukam, schlossen sich schon frühzeitig zu Zünften zusammen, woraus sich mit der Zeit auch ein socialer Gegensatz zu den übrigen brau­berechtigten Bürgern entwickelte. Es wurden zwar die Malzbereitung und das Bierbrauen als getrennte Gewerbe betrieben, aber es bestand doch ein Zusammenhang zwischen beiden, indem die Ausübenden stets in einer Corporation, der Mälzerzunft, vereinigt waren.

Daraus erklärt sich auch, dass in der böhmischen Sprache die Brauarbeit den Namen Malzerzeu­gung (sladovnictvf) und der Brauer Mälzer (slädek) heisst.

Ueber die innere Einrichtung der Zünfte werden wir durch die zahlreichen, bis heute erhaltenen Zunftsatzungen, deren Ursprung theilweise bis in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts reicht, unterrichtet.

Als unter Kaiser Karl VI. eine Neuregelung der Handwerksorganisation durchgeführt wurde, hat man in die den einzelnen Genossenschaften bestätigten Zunftartikel den wesentlichsten Inhalt der alten Ord­nungen aufgenommen.

Die Gross-Industrie. V.

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