Die Zulassung zur Zunft erfolgte nur dann, wenn der Bewerber den Nachweis erbrachte, dass er das Gewerbe ordentlich erlernt habe und kein anderes betreibe. Auch musste er im Besitze eines brau­berechtigten Hauses sein. Die Aeltesten der Zunft versammelten sich zweimal wöchentlich, um über gemein­same Angelegenheiten zu berathen, die Interessen der Genossen zu schützen und in Streitigkeiten, die zwischen denselben und ihren Bediensteten entstanden waren, eine Entscheidung zu treffen. Im Amts­locale befand sich die mit reichen Intarsien und Schnitzwerk gezierte Zunftlade, die zur Aufbewahrung der Urkunden und des Vermögens der Zunft diente. Dort lag am Berathungstische das Machtsymbol und Scepter des Zunftvorstandes, die »Ferula«, jener Stab, der bei den Griechen »Thyrsos« hiess und Gott Dionysios geheiligt war. Wie dieser mit Epheu und Weinranken umflochten war, schmückten die Ferula ringsum reiche Schnitzereien und das alte Wappen der Zunft. Auf die Ferula, die ein Bote herumtrug, wurden die Einladungen zu den Berathungen und Freiungen angeklebt.

Die Zunftältesten hatten die Pflicht, die »Werkstätten« der einzelnen Brau- und Malzhäuser zu be­gehen, in Gegenwart des Braumeisters die Qualität des Malzes und des Bieres zu prüfen und sich von der Tüchtigkeit der Gesellen und Lehrjungen zu überzeugen.

Die Aufnahme eines Lehrlings in die Zunft war bedingt von dem Nachweis seiner ehelichen Ge­burt und seiner Angehörigkeit zur römisch-katholischen Religion. Er trat zunächst bei einem Meister in die Probe. Wurde er zum Gewerbe tauglich befunden, so musste ihn der Meister, bei dem er in der Lehre stand, an einem festgesetzten Tage den versammelten Zunftältesten vorstellen, wobei der Lehrling eine bestimmte Aufnahmsgebühr in die Zunftcasse zu erlegen hatte. Nachdem das ganze technische Verfahren damals auf rein empirischen Erfahrungen beruhte, ohne dass man in der Lage war, sich über den Zweck einzelner Manipulationen Rechenschaft zu geben, war die Ueberlieferung dieser Regeln von Generation auf Generation von höchster Wichtigkeit. Nach dreijähriger Lehrzeit wurde der Lehrling, nachdem er von seinem Herrn ein Lehrzeugnis erhalten, vor den Aeltesten freigesprochen und sein Name in das Register der Gesellen eingetragen. In Nachahmung der Sitte des Ritterschlages erhielt der Geselle hiebei einen Streich mit der Ferula. Der auf Pergament verfasste, künstlich und geschmackvoll gezierte Lehrbrief wurde in die Zunftlade eingelegt, worüber der Freigesprochene eine Bestätigung erhielt. Der Freispruch wurde im Bräuhause mit grossen Gelagen gefeiert. Die Gattin des Braumeisters, welche die Herrichtung der Tafel besorgte, erhielt hiefür einen mächtigen, mit Bändern verzierten Blumenstrauss. Der Geselle musste sich nun drei Jahre auf die Wanderschaft begeben und von Ort zu Ort »Kundschaft« nehmen, d. h. die Ausstellung von Handwerkszeugnissen begehren. In seinem Reisegepäck, das er in einer grünen Decke trug, durfte die weisse Jacke und die weisse Schürze, mit denen die Braugesellen bei allen feierlichen Gelegenheiten auftraten, nicht fehlen. Ein solcher Wanderbursch wurde in jeder Brauerei gerne gesehen. Nach seinem Grusse: »Gott gebe Glück und Segen« folgte sofort die Bewillkommnung mit den Worten: »Seid uns willkommen!«

Er nahm nun seinen Platz am Gesellentisch ein, wurde fortan als Mitglied des Hauses betrachtet, musste aber auch an allen Arbeiten sich betheiligen. Jedes Brauhaus hatte seine »Förderung«; an bestimmten Tagren wurden alle Gesellen und Wanderburschen bewirthet.

Jeder in einer Brauerei Bedienstete hatte seinen bestimmten Wirkungskreis. Im Sudhause traf man den Brau- oder Altmeister, den Unterbräuer oder Altgesellen, die Mithelfer und den Wasserzuführer; in der Mühle befand sich der Malzmüller, im Malzhause dagegen der Malzmeister, der Junggeselle, der Mälzer und der Dörrer. Alle Personen, die wichtige Arbeiten zu versehen hatten, mussten vor dem Primator und den Rathsherren der Stadt, an anderen Orten vor den Aeltesten der Zunft, einen feierlichen Eid ablegen, ihre sämmtlichen Pflichten getreu zu erfüllen. Dem Braumeister oblag die Ueberwachung des Personales im Sudhause. Er hatte für eine gleichmässige Qualität zu sorgen und blieb dafür ver­antwortlich, dass nicht mehr als das vorgeschriebene Quantum gebraut werde. Das übrige beim Gebräu beschäftigte Personale begleitete den Sud mit frommen Gesängen. Es waren dies getragene Lieder, meist ernsten Inhalts, vielfach auch Kirchenlieder. So herrschte dazumal der Glaube, dass die Arbeit nur dann gedeihen könne, wenn fromme Lieder sie begleiten. Der Brauer, mit einer weissen Schürze versehen, in- tonirte die erste Strophe, in welche der Chor der Gesellen einstimmte. Manche religiöse, aus jener Zeit stammende Gebräuche haben sich bis in unsere Tage erhalten; so der Umzug am Dreikönigstage. An der Spitze gieng der Unterbräuer mit der Ferula, hinter ihm der Jungknecht mit der Schaufel und der Dörrer mit einem geputzten Sacke. Sämmtliche Localitäten der Brauerei wurden mit Weihrauch ausge-

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