Die Brau-Industrie lag in jenen Tagen in einem technischen Beharrungszustande, der allen Gewerben eigen ist, bei denen die Fabrication ihre Stütze nur in empirischen Regeln besitzt, die sich von Generation auf Generation vererben. Jedermann weiss, welche wichtige Rolle die Temperaturmessung im Braugewerbe spielt. Aber noch zu Beginn dieses Jahrhunderts gab es in Oesterreich kaum 20 Brauer, die sich des Thermometers zu bedienen verstanden, und es musste das Gefühl der Hand über den Moment der beendeten Abdarrung, über den Zeitpunkt der ausreichenden Kühlung der Würze auf den Kühlen unterscheiden. Wenn man jedoch andererseits die überaus reichliche Literatur durchblättert, die zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert dem Brauwesen gewidmet wurde welche in Zukunft für die historische Technologie, einer Wissenschaft, die derzeit noch in den Windeln liegt, eine unerschöpfliche Fundgrube bieten wird, wenn man die einzelnen technischen Proceduren auf ihren heutigen wissenschaftlichen Werth prüft und erkennt, wie richtig, von einigen Ausnahmen abgesehen, diese Regeln waren, dann muss man über diese grossartige Arbeitsleistung der Empirie, des Sehens, Beobachtens und Prüfens erstaunen. Die wissen­schaftliche Begründung des Maischprocesses gehört unstreitig zu den schwierigsten Aufgaben der Chemie. Jene Gesetze aber, die heute gelten, waren schon Hayek, der im Jahre 1585 eine ziemlich genaue Beschreibung des Dickmaischeverfahrens gibt, bekannt. Ein jeder Brauschüler kann sich heute aus Lehr­büchern binnen wenigen Stunden eine Fülle von Kenntnissen erwerben, in deren Besitz frühere Brauer­generationen durch Erfahrungen kamen, die Jahrhunderte hindurch gesammelt und geprüft wurden. So mag das gedruckte Wissen den menschlichen Geist mancher Anstrengung überheben, aber die Schärfe der Beobachtung, zu der die Noth zwingt, und welche die andauernde Uebung erhöht, geht wenigstens bei den breiten Schichten der im Gewerbe Beschäftigten verloren.

Der erste Anstoss zu einer höheren Entwickelung der Brau-Industrie gieng von England aus, wo sich die Brauerei um die Wende des 18. Jahrhunderts zu hoher Blüthe entfaltete. Dort verdrängte das Eisen die hölzernen Gefässe vollständig, dort gab es nur eiserne Weichstöcke, Maischbottiche und Kühlen, letztere in ovaler, an beiden Enden kielförmiger Form, woher auch die Bezeichnung »Kühlschiff« herrührt. Als Brennmaterial dienten ausschliesslich Steinkohlen. Durch Hebevorrichtungen und Transport­schnecken wurde die Gerste und das Malz in höher gelegene Räume gebracht. Rührwerke, die sowohl im Maischbottich, in der Pfanne und auf den Kühlen angebracht waren, wurden mechanisch betrieben.

Der Ruhm des englischen Brauwesens gründet sich auf die Sorgfalt, mit welcher man bei der Malzbereitung vorgieng. Man besass eine Vorahnung jener chemischen Vorgänge, die im Gerstenkorn während der Keimung sich entwickeln, maass sorgfältig die Temperatur der Keimbeete in ihren verschiedenen Stadien und erhob genau die Verluste an Gewicht, welche die Gerste durch Verwandlung in Malz erleidet. Die englische Malzdarre war ein Gebäude in Gestalt einer umgekehrten Pyramide. Die Hordenfläche bestand ursprünglich aus eisernen Gittern, über welche Haardecken ausgebreitet waren. Diese wurden auch durch Kacheln, die mit trichterförmigen Löchern versehen waren, ersetzt. Später nahm man siebartig geflochtene Drahtdecken und durchlöcherte eiserne Platten. An Stelle der Steinmühlen, wo leicht ein Erhitzen des Schrotes stattfand, schaffte man eiserne Schrotmühlen an. Das Hauptaugenmerk war darauf gerichtet, die Gerste so lufttrocken als möglich zu machen, weshalb man auch den Welkböden eine ungewöhnliche Ausdehnung gab. Die Engländer waren auch die Erfinder der Kühlapparate. Man liess die Würze, ehe sie in den Gährbottich kam, durch eine dünne metallene Röhre laufen, die mehrere Tausend Quadratfuss Fläche darbot und welche von einer grösseren Röhre eingeschlossen war, durch welche beständig ein Strom kalten Wassers floss. Bei anderen Apparaten floss eine dünne Schichte Würze zwischen dünnen Metallplatten im Kreise zwischen zwei Schichten kalten Wassers. Aus England stammt auch der Gebrauch des Saccharometers. Die gebräuchlichsten waren jene von Dica, Quin und Richardson; die vollkommensten die von Dring und Fage erfundenen. Schon im Jahre 1814 besassen sämmtliche Londoner Grossbrauereien Dampfmaschinen, darunter jene von Whilbread & Cie. eine solche von 70 Pferdekräften. Man kann sich von der damaligen Grösse der englischen Brauereien eine ungefähre Vorstellung machen, wenn man hört, dass vom Jahre 18191820 die 32 Londoner Brauereien 2,648.467 Hektoliter Bier erzeugten. Dagegen betrug in Böhmen die gesammte Production im zehnjährigen Durchschnitte von 17801790 jährlich 2,189.155 Hektoliter. In Mähren betrug die Erzeugung im Jahre 1807 616.787 Hektoliter. Die Gesammt- production der Brauereien in Wien und Umgebung wurde im Jahre 1818 auf 750.000 Hektoliter veranschlagt.

Die österreichische Brau-Industrie hatte zur Zeit der napoleonischen Kriege mit einer schweren Krisis zu kämpfen. Der steigende Preis der Rohmaterialien, die Einführung hoher Steuern, die aus Sparsam-

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