keitsgründen vorgenommenen Aenderungen in der Betriebsweise drohten, insbesondere in Böhmen, zu einem \ erfalle des einst berühmten Brauwesens zu führen. Zahlreich waren die Beschwerden über die mangelhafte Qualität des Bieres, so dass sich das Landesgubernarium veranlasst sah, die medicinische Facultät in Prag um die Abgabe eines Gutachtens über die Eigenschaften eines echten und die Kennzeichen eines ver­fälschten Bieres zu bitten. Den Zunftältesten wurde aufgetragen, in den Brauereien nach Fertigstellung des Gebräues Nachschau zu halten und dort, wie in den Wirthshäusern, zu untersuchen, ob das Bier die erforderliche Qualität besässe. Mitten in diese Zeit fällt das Auftreten von Männern, die eifrig den Ursachen des Niederganges nachforschten und durch eifrige Lectüre in den Wegweisern der Braukunst die theo­retischen Grundsätze an der Hand der Erfahrung prüften und unermüdlich dabei waren, Verbesserungen im Verfahren sowohl, wie in der Einrichtung zu ersinnen. Zu diesen gehörte der Braumeister Franz Andreas Poupe (f 1805). Er erfand eine eigene Seihevorrichtung, verbesserte die Feuerungsanlagen bei Darren und Pfannen, reformirte die Methoden der Malz- und Bierbereitung und entwickelte dabei eine umfang­reiche literarische Thätigkeit. Seine im Jahre 1794 erschienene Schrift über die »Kunst des Bierbrauens« fand in den weitesten Brauerkreisen Böhmens und Mährens Verbreitung.

Gross war die Zahl seiner Schüler, welche von ihm in die Kunst des Bierbrauens eingeweiht wurden und die Lehren des Meisters in ihrer Heimat zu allgemeiner Befolgung brachten. Ausser Brauersöhnen aus Böhmen, Mähren, Schlesien, Oberösterreich und Deutschland nennt Poupe auch fünf Wiener Brauer als seine Schüler, und zwar: Dominik Hummel, Adoptivsohn von Anton Dreher, Karl Ivonrat aus Neu­dorf, Anton Dietmann aus Hütteldorf, Georg und Christof Wiedte aus St. Marx.

Der Geist des Fortschritts begann nun an den verschiedensten Stätten emporzublitzen. Der Brau­hauspächter Johann Koller in Dobromielitz erfindet Zeit und Kraft ersparende Maschinen, der Bräuer Tesselowsky construirt eine neue Art der Bierabkühlung. In einer schon 1802 von Z. A. Ritter von Lewenau herausgegebenen Schrift wird eine vom fürstlich Liechtensteinschen Architekten Josef Hardtmuth construirte Darre beschrieben, welche der Construction nach vollständig den englischen Darren gleicht.

In dem städtischen Bräuhause zu Teschen kam 1815 die Dampfkraft zur Anwendung. Graf Ham­berg errichtete in Zdounek und später auch in Ivwassitz eine englische Hausbrauerei (House Brewery), in welcher, wie berichtet wird, die in Kesseln sich entwickelnden Dämpfe die Würze auf die Kühlen, das heisse Wasser auf die Maischstöcke trieben.

Im Jahre 1814 errichtete Freiherr v. Pfaffenhofen zu Grinzing nächst Wien eine englische Brauerei, zu deren Einrichtung sämmtliche Maschinen aus England bezogen wurden. Ausserdem war auch die Ein­richtung der Brauerei in Zwölfaxing als höchst eigenartig bekannt.

Gleichzeitig war man aber auch bemüht, für die theoretische Ausbildung der Brauer Sorge zu tragen. Schon im Jahre 1806 hatte Prof. Joh. Bapt. Herrmann in München Vorschläge zur Errichtung einer öffentlichen Lehranstalt über die Oekonomie des Brauwesens veröffentlicht und die Grundzüge eines Lehrplanes entworfen. Zur theilweisen Verwirklichung gelangte dieser Gedanke in Prag, wo im Jahre 1818 Prof. Steinmann an der Technik Vorträge über die chemischen Grundsätze des Bierbrauens zu lesen be­gann. In der vom damaligen Director dieser Anstalt, Ritter v. Gerstner, an die Brauer gerichteten Ein­ladung zum Besuche der Vorlesungen wird darauf hingewiesen, dass diese Versuche dazu dienen sollen, zu entscheiden, ob in Verbindung mit dem technischen Institute die Errichtung einer eigenen Braufach­schule möglich wäre. Diese Traditionen der Prager Technischen Hochschule feierten den Glanzpunkt ihrer Entwickelung in den Forschungen Ballings und seiner Schule. Paul Balling (18051868) war ein Hörer dieses Institutes, an welchem er 1824 als Adjunct, 1835 als ordentlicher Professor der Chemie angestellt wurde. Zu seinen eingehenden Studien über Gährungschemie, denen er sich seit 1833 mit grossem Eifer widmete, wurde er veranlasst durch ein Gutachten, welches über die Branntweinbesteuerung erstattet werden sollte. Die Resultate seiner zahlreichen Versuche und gründlichen Forschungen sind niedergelegt in seinem Werke: »Die Gährungschemie«, welches 1844 bis 1847 in Prag erschien und seinen Namen als den eines bahnbrechenden Reformators verewigt hat. Die darin aufgestellte Attenuationslehre und die Construction eines verlässlichen Saccharometers waren vom höchsten Einflüsse auf die fortschrittliche Ent­wickelung aller zymotechnischen Gewerbe. Dazu gesellte sich eine exacte vergleichende Kritik der einzelnen Braumethoden, eine gründliche Darstellung der Gährungsgesetze in populärer Sprache, in stetem Hinblicke auf ihre praktische Verwerthung.

Die Gross-Industrie. V.

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