Es muss hiebei daran erinnert werden, dass kurz zuvor, im Jahre 1833, Payen und Persoz den ersten grossen Schritt, zum Verständnisse eines wichtigen Theiles der Brauoperationen gemacht hatten, indem sie die Existenz eines saccharificirenden Principes, das durch das Keimen des Gerstenkornes ent­wickelt wird und seither Diastase genannt wird, nachwiesen. Ueber das, was Hefe ist, hatte man dazumal nur irrige Vorstellungen. Selbst nachdem Cagniard de la Tour im Jahre 1835 die wichtige Ent­deckung gemacht hatte, dass die Hefe aus lebendigen Zellen, die sich während der Gährung entwickeln und fortpflanzen, besteht, behauptete Liebig (1839) und mit ihm mehrere berühmte Chemiker die ältere Auf­fassung, dass die Hefe nur als ein lebloser Stoff wirke, der durch Contacteinfluss bei seiner Zersetzung Gährung erzeuge. Diese Lehren Liebigs blieben so lange in Cours, bis Pasteur mit seinen epochemachenden Arbeiten über die in der Luft schwebenden Organismen, die durch ihre Lebensthätigkeit Gährung erzeugen, hervortrat und in seinen Werken »Etudes sur le vin« (1865) und »Etudes sur la bière« (1876) jene Thesen formulirte, welche bis heute die Grundlagen der Gährungschemie bilden. Die heuer von Buchner gemachte Entdeckung der Zymase und die Feststellung der Thatsache, dass die alkoholische Gährung auch ohne Mitwirkung der lebenden Hefezelle vor sich gehen könne, hat die Forschungen Pasteurs nicht gänzlich widerlegt, da ja die Zymasebildung nur in der lebenden Hefe erfolgt.

Balling, der in seiner Jugendzeit auf der Besitzung seines Vaters bei landwirthschaftlichen Gewerben beschäftigt war, verlor auch während der Zeit seines akademischen Wirkens jene praktische Anschauungs­weise nicht, die in so hohem Maasse zur Gemeinverständlichkeit seiner Forschungsresultate beitrug. Wie­wohl ein warmer Freund von Neuerungen, gieng er mit Erfindungsträumen, die auf falsche Wege führten, gar strenge zu Gericht, wie seine Kritik der Erzeugung von Kartoffelbieren und Hopfenpar­füms beweist.

Hingegen fand bei ihm die Frage der Surrogatverwendung seltsamerweise nicht jene entschiedene Verurtheilung, die sie nach dem übereinstimmenden Urtheile, welches die österreichischen Brauer in der jüngsten Zeit abgaben, zu erfahren verdient. Er hielt die Verwendung von trockenem Malzextract nicht nur für gänzlich unbedenklich, sondern geradezu in gewissen Fällen für äusserst wichtig.

Als Director Rietsch im Jahre 1846 den Getreidestein (Zeilithoid) präparirt hatte, mag wohl haupt­sächlich Ballings wohlwollende Kritik den Grafen Rasumovsky bestimmt haben, auf seiner Domäne Ru- doletz eine kleine Getreidesteinfabrik zu errichten. Das Erzeugnis fand wohl auf der ersten Londoner Industrie-Ausstellung einige Beachtung; es fehlte auch nicht an Bestellungen seitens der englischen Ad­miralität und der Ostindischen Compagnie, indes gieng das Unternehmen in Folge Mangels genügenden Absatzes später zu Grunde.

In jene Zeit fallen auch die ersten Versuche zur Einführung der Dampfkochung. Schon Karperovski führt in seinem 1833 in Lemberg erschienen Werke an, dass in Zurawnik eine Brauerei mit Dampfkochung bestehe. Die erste Dampfbraumethode, auf welche ein Patent erworben wurde, war jene, die Herr Do- lainski aus Wien im Jahre 1843 publicirte. Drei Jahre später wurde von Herrn Franz Wanka in Prag eine zweite auf indirecter Dampfkochung beruhende Methode eingeführt und im Betriebe praktisch erprobt.

Im gleichen Jahre erhielt Gassauer ein Patent auf eine ähnliche Erfindung. Nach seinen Plänen wurden zuerst die fürstlich Schwarzenbergsche Brauerei in Libejitz und ferner die Sudhäuser in Plan, Konopischt und Wlaschim eingerichtet. Alle diese Versuche, die unter Anderen auch in der Dreherschen Brauerei in Schwechat angestellt wurden, mussten misslingen, weil sie gegen die Grundsätze der Theorie der Heizung verstiessen, welche festzustellen erst der wissenschaftlichen Forschung unserer Tage Vorbehalten blieb, womit auch dieses Problem einer glänzenden Lösung zugeführt wurde.

Auf die Vervollkommnung des österreichischen Brauwesens in technischer Hinsicht übte vor Allem die Bekanntschaft mit dem englischen Mälzungs- und Bräuverfahren und den dortigen Einrichtungen einen nachhaltigen Einfluss aus. Waren es doch die hervorragendsten Brauer des Continents, wie A. Dreher aus Schwechat und G. Sedlmayr aus München, die sich in den Dreissigerjahren unseres Jahrhunderts persön­lich nach England begaben, um die dortige Fabricationsweise zu studiren. Unter dem Eindrücke dieser rationellen Arbeit traten sie nach ihrer Rückkehr in die Heimat als unerschrockene Pionniere des Fort­schritts auf.

Eisen und Kohle, Maschinen und Dampfkraft waren jene Elemente, denen das englische Brauwesen seine Grösse verdankt.

210