So begann das eiserne Zeitalter der Industrie; das Holz, sowohl als Brenn- wie als Einrichtungs­material, wurde grösstentheils verdrängt. Damit konnte erst jene peinliche Reinlichkeit im Betriebe, welche zu den technischen Cardinaltugenden des Brauwesens zählt, durch geführt und jenen zahlreichen Infections- gefahren der Würze vorgebeugt werden, welche als geheime Feinde von den alten Brauern so sehr ge­fürchtet waren und viel unberechenbaren Schaden verursacht hatten. Damit gewann erst die Betriebsleitung die nothwendige Sicherheit, und als gleichzeitig die chemischen und physiologischen Vorgänge, welche die Natur der einzelnen Umwandlungsprocesse bilden, entdeckt, als die Lichtstrahlen wissenschaftlicher Forschung das Wesen und die Lebensthätigkeit der kleinsten Organismen enthüllten und die Arbeiten der neugeborenen Wissenschaft der Zymotechnik sich zu einem mächtigen Werkzeuge technischen Fort­schrittes verwandelten, hat dies Alles zu einem fast revolutionär zu nennenden Umschwung in der Brau­technik geführt. Wir wollen nur mit einem breiten Griffel und in grossen Zügen ein Charakterbild dieser neuen Aera entwerfen.

Zu ihren Merkmalen gehört zuerst die wachsende Ausdehnung der Brauerei- und Mälzerei­anlagen. Die Bereitung eines besseren Malzes erforderte mehr Zeit und nahm deshalb grössere Tennen­locale in Anspruch.

An die Stelle der alten düsteren Keimlocale mit ihren hölzernen, unbeworfenen Decken treten weite luftige Räume mit leichten, säulengetragenen Decken, die sich etagenförmig in mehrere Stockwerke er­heben, mit rationeller Ventilation und sorgfältig ausgeführter Pflasterung. Während früher der Brauer­bursche auf schlechten, engen Stiegen schwere, grosse Säcke mit Gerste und Malz viele Stockwerke empor­schleppen musste, wird diese Arbeit fortan durch die mannigfachsten Transporteinrichtungen, als Hand- und Maschinenaufzüge, Fahrstühle, Becherwerk, Elevatoren, Paternoster, Transportschnecken, Streifgurten und Kippwagen, geleistet.

_ /

Die Brauer haben von den Kunstmühlen gelernt, dass zur Gewinnung eines guten Productes zunächst

sorgfältige Reinigung und Sortirung des Getreides vorzunehmen sei, was ebenfalls mit maschinellen Kräften besorgt wird. Nach Art der Rübenwäsche in Zuckerfabriken wird das Waschen der Gerste durch mechanische Einrichtungen vorgenommen. Die hölzernen Quellstöcke wurden abgeschafft und durch eiserne Weichen ersetzt.

Eifriges Studium wurde auf die Lösung des Problems verwendet, die Handmälzerei durch ein mechanisches oder pneumatisches Mälzereisystem zu ersetzen. Schon Anfangs der Sechzigerjahre wurden in England mechanische Apparate gebaut, und es erregte überall in Oesterreich grosses Interesse, als ein nach Amerika ausgewanderter Oesterreicher, Josef Gecmen, einen solchen Apparat auf der Wiener Weltausstellung ausstellte. Pneumatische Mälzungsversuche wurden schon vor 1850 in England und Frankreich angestellt. Um diese Zeit waren es die Brüsseler Ingenieure Lacambre und Persac, welche zum Zwecke pneumatischer Keimung Trommelapparate anwendeten. Darauf folgten die Patente Wiese (1854) und Liebemann (1856), im Jahre 1874 wurde auch einem Oesterreicher, Heindl, eine ähnliche Erfindung privilegirt. Die höchste Vervollkommnung aber erhielten diese Apparate durch den Franzosen Galland Anfangs der Siebzigerjahre, dessen Einrichtung, wie auch jene Saladins, in der jüngsten Zeit von mehreren österreichischen Brauereien acceptirt wurde. Der Darrprocess wurde durch Verbesserung der Darrheizungen, Hordeneinrichtungen, Darrventilationen und durch Einführung von Malzwendeapparaten reformirt. Am schnellsten vollzog sich der technische Fortschritt im Sudhause. Hier trat das Eisen frühzeitig in sein Recht. Man ersann die rationellsten Rührwerke, benutzte den Vormaischapparat (eine Erfindung des obgenannten Ingenieurs Lacambre), verbesserte die Feuerungsanlagen mit Rücksicht auf Brennmaterial­ersparnis und Rauchverzehrung. Die Würzeläuterung wurde vervollkommnet, das schottische Drehkreuz und die Aufhackmaschine eingeführt. Zu den wesentlichsten Neuerungen gehörte auch die Anwendung der Centrifugalpumpen zur Förderung von Dickmaischen und Würzen.

Die Kühlen wurden aus dem Sudhause in einen eigenen, hochgelegenen, luftigen Raum verlegt. Als eine Musteranlage dieser Art galt in den Sechzigerjahren das Kühlgebäude der Schwechater Brauerei. Zur mechanischen Ausscheidung des Gelägers von der Würze construirte man Würzefilter, und es war der vielgenannte Ingenieur Galland, an dessen Name sich diese Erfindung knüpft, wobei das Princip Pasteurs, das ganze Gebräu unter Ausschluss von Luft zu filtriren, zur Anwendung kam.

Ein wesentlicher Umschwung im Brauwesen vollzog sich, als man zu Beginn der Dreissigerjahre begann, die Obergährung der Würze durch die Untergährung zu ersetzen. Diese Reform gewann an Aus-

27*

211