dehnung, als es den Bemühungen A. Drehers in Ivlein-Schwechat gelang, dieses Gährungsverfahren in den Wiener Brauereien heimisch zu machen. Nach dem Jahre 1850 begann man auch in Böhmen von der obergährigen Arbeit zur Untergährung überzugehen. Zur Einführung dieses neuen Verfahrens wurden vielfach bayrische Brauer nach Böhmen berufen, und mit grosser Freude wurde eine dieses Thema behandelnde Broschüre begrüsst, die im Jahre 1852 erschien und den verdienten Braumeister Josef Danek zum Verfasser hatte. Wie rapid sich dieser Uebergang vollzog, erhellt aus folgenden statistischen Daten, welche sich auf die Bierbrauerei in den im Reichsrathe vertretenen Ländern beziehen:

Hiervon erzeugten

Jahr

Anzahl der Brauereien

Oberhefenbier

Ober- u. Unterhefenbier

Unterhefenbier

1841

3 i 6.5

2115

503

275

1872

239 O

143

W 3

202 I

In Böhmen wurde das letzte obergährige Bier in der Brauerei in Graupen im Jahre 1884 erzeugt. Am längsten erhielt sich dieses Verfahren in Galizien und Steiermark. Mit dem Wechsel dieser Mani­pulation musste man darauf bedacht sein, Einrichtungen zu schaffen, um die in den Gährkeller gebrachte Würze in raschester Zeit auf die zur Untergährung erforderliche Temperatur herabzustimmen. Dies führte zu mannigfachen Reconstructionen der Würzekühlapparate, welche, wie wir oben angeführt haben, aus England stammen. Die erste Manier der Bierkühlung bestand aus einem einfachen Bottich, in welchen ein Schlangenrohr eingesetzt wurde. Später wurden die Kastenkühler eingeführt, bis der Ingenieur Lacambre die ersten Gegenstromapparate aus England herüberbrachte.

Ende der Fünfzigerjahre erfand der Franzose Bandelot die Berieselungsapparate, welche gegen­wärtig in Oesterreich die meiste Verbreitung besitzen.

Das alte obergährige Brauverfahren kannte keinen Gährkeller und nur kleine Lagerkeller. Erst in der Mitte dieses Jahrhunderts schritt man zu rationellen Kelleranlagen mit Berücksichtigung der Beschaffen­heit des Bodens, Lage der Oberbauten und der Ventilation. Ein vollkommener Umschwung trat ein, als an die Stelle der Eiskühlung die Errungenschaft der künstlichen Eis- und Kälteerzeugung trat. Die Dar­stellung von Kälte auf künstlichem Wege reicht zurück bis in das Jahr 1834, i n welchem der Engländer Perkins zuerst Aether zur Kälteerzeugung benutzte. Seine Maschine wurde in der Folge von Harrison (1856) und Siebe (1862) wesentlich verbessert.

In Oesterreich hat zuerst die Ammoniak-Compressionsmaschine, »System Linde«, zu Beginn der Achtzigerj ahre allgemeine Verbreitung gefunden, mit welcher sodann verschiedene andere bewährte Systeme in Concurrenz traten. Kaum zählbar sind alle Neuerungen, welche die gesammte Kellerwirthschaft betrafen; die Vervollkommnung von Kühl- und Filtrationsvorrichtungen, von Ab füll- und Fasshebeapparaten, von Fassroll-, Fasswaschmaschinen und Pichereieinrichtungen; die Einführung von Pasteurisations- und Bottlerei­apparaten u. s. w. Die Construction eigener Bierwaggons mit Kühlvorrichtungen hat in hohem Maasse zur Förderung des Exportes beigetragen.

Dieser cursorische Ueberblick über die technische Progression des österreichischen Brauwesens während der letzten fünfzig Jahre kann nicht geschlossen werden, ohne der physiologischen Entdeckung Erwähnung gethan zu haben, welche für die Brautechnik jene Grundlagen schuf, auf welcher die Sicherheit der Betriebserfolge fusst, womit zugleich eine wissenschaftliche Basis für die Operationen der Mälzerei, Brauerei und Gährung gewonnen wurde. Es bildet ein unvergessliches Verdienst Prof. Dr. Hansens in Kopenhagen, dargelegt zu haben, dass einige der allgemeinsten und schlimmsten Krankheiten im Biere, wie unangenehme Geschmacksänderungen und Hefetrübung nicht von Bakterien, sondern von gewissen Hefearten herrühren.

Die Hauptbedeutung der von Hansen ausgehenden Reform liegt in der Anwendung einer plan- mässig ausgewählten reinen Hefe und in der Schaffung einer Methode, solche reine Hefe im grossen Maassstab in den Betrieb einzuführen. Damit waren die Mittel und Wege gewiesen, einen Haupttheil des Betriebes, die Gährung, mit Sicherheit zu beherrschen und bei der Auswahl der Stellhefe nicht mehr vom Zufalle abzuhängen.

Verschiedene grössere Brauereien haben nun eigene Laboratorien zur Darstellung der Reinhefe eingerichtet und in der Folge auch eigene Chemiker mit der ständigen Controle des ganzen Betriebes betraut. Der Gedanke, die wissenschaftlichen Grundlagen der Brautechnik zu erweitern und zu vertiefen, führte zur Errichtung von eigenen Instituten. Diese sollten die Wege, die Art und Weise, auf welche

212