eine Seltenheit, hingegen ist die Zahl der kleinen Winzer, deren jeder nur über eine kleine Weingarten­fläche verfügt, eine sehr grosse. Da es keine Winzergenossenschaften gab und jeder Weinbauer seine Traubenernte auch selbstständig zu Wein verarbeitete, so war der Weinhändler gezwungen, seinen Bedarf durch den Ankauf einer grossen Zahl von Posten von den Weinbauern zu decken, und waren die Producte der letzteren von sehr ungleichförmiger Beschaffenheit. Um nun die für seine Zwecke unbedingt erforderlichen grossen Mengen für den Handel brauchbarer Weine zu erhalten, war der österreichische Weinhändler gezwungen, aus dem gleichförmigen und ungleichförmigen Materiale, welches er aus den Kellern der Winzer erhielt, durch Verschnitte und zweckmässige Schulung in den eigenen Kellereien grosse Mengen Weines von einer Beschaffenheit herzustellen, welche den Anforderungen des Handels entsprach. Durch diesen Umstand und unterstützt durch Capital und höhere Intelligenz waren es hier zu den Siebzigerjahren des 19. Jahr­hunderts hauptsächlich die österreichischen Weinhändler, welche eine ausserordentlich bedeutende Hebung in der Qualität der österreichischen Weine herbeiführten und durch ihr Beispiel auch den intelligenteren Theil der Weinbauer dazu aufmunterten, sich bei der Bereitung und Pflege des Weines nicht nur an das von den Urvätern ererbte Verfahren zu halten, sondern auch die von der zielbewussten Praxis mit so gutem Erfolge durchgeführten Verbesserungen in der Kellerwirthschaft in ihrem Besitze selbst einzuführen.

Die Stellung, welche der Weinbau im Kreise der landwirthschaftlichen Thätigkeit in Oesterreich einnimmt, war von jeher eine bedeutende; trotzdem war für den Unterricht im Weinbau und der Keller­wirthschaft so gut wie gar nicht vorgesorgt, und wurde noch über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus die Weinproduction in manchen Gegenden, namentlich in solchen, welche den Bildungsmittelpunkten ferner lagen, in einer kaum glaublich einfachen Weise betrieben. So wurde z. B. in Dalmatien das Abpressen der Trauben in der Art ausgeführt, dass man die Traubenmaische unter Anwendung des Druckes, welchen ein schwerer Stein ausübt, oberflächlich auspresste und Most und Wein in Schläuchen aufbewahrte. Weinpressen von der richtigen Bauart und Fässer befanden sich nur im Besitze weniger wohlhabender Weinbauer. Die grosse Weinhandlungsfirma Franz Leibenfrost in Wien, welche sich zu jener Zeit für die Weine Dalmatiens zu interessiren anfieng, musste eigens Pressen und Fässer nach Dalmatien senden, um an Ort und Stelle eine rationelle Gewinnung des Weines durchführen zu können.

Es verdient als eine wichtige That des niederösterreichischen Landtages verzeichnet zu werden, dass derselbe, in richtiger Erkenntnis der ausserordentlichen Bedeutung, welche dem theoretischen Unter­richte gerade auf dem Gebiete des Weinbaues und der Kellerwirthschaft zukommt, gegen Ende der Sechzigerjahre die Errichtung einer niederösterreichischen Landes-Lehranstalt für Weinbau beschloss. Zunächst nur der Ausbildung von tüchtigen Winzern für das Land Niederösterreich gewidmet, erfuhr diese in Klosterneuburg errichtete Anstalt in Folge des zahlreichen und stetig zunehmenden Besuches von Lernbegierigen aus allen Theilen Oesterreichs und auch des Auslandes fort und fort eine Erweiterung ihres Lehrplanes und entwickelte sich allmählich so weit, dass sie nach ihrer Uebernahme von Seite des Staates zum Range einer Mittelschule erhoben werden konnte, an welcher den Schülern neben dem praktischen Unterrichte auch ein solches Maass von theoretischen Kenntnissen geboten wird, dass sie sich zu tüchtigen Oenologen auszubilden vermögen.

Das rasche Emporblühen der Klosterneuburger Lehranstalt für Weinbau und Kellerwirthschaft gab den Anstoss zur Errichtung ähnlich eingerichteter Anstalten in fast allen Weinbau treibenden Ländern Oesterreichs. So entstand in einem verhältnismässig kurzen Zeiträume eine Reihe von Schulen, in welchen zunächst der Zweck angestrebt wurde, das fachliche Wissen der Weinbauer durch theoretischen Unterricht und praktischer Unterweisung zu heben. Bis zur Gegenwart bestehen derartige Schulen in Niederösterreich in Klosterneuburg, Feldsberg, Krems und Retz, in Steiermark in Marburg, in Krain in Stauden bei Rudolfswerth, in Tirol in San Michele, in Istrien in Parenzo, in Dalmatien in Gravosa, in. Mähren in Brünn und Znaim, in Böhmen in Leitmeritz, Troja und Melnik.

Während auf diese Weise durch die Errichtung von Fachschulen für die Heranbildung tüchtiger Weinbauer und Kellermeister gesorgt wurde, machte sich aber auch das Bedürfnis nach solchen Anstalten fühlbar, an welchen die Forschung über die Entwickelung des Weinstockes und das Wesen des Weines eine Pflegestätte findet. Obwohl verschiedene Gelehrte von bedeutendem Rufe, wie Justus von Liebig, Mulder u. A., sich schon eingehender mit der Untersuchung des AVeines beschäftigt hatten, waren doch noch um die Mitte der Sechzigerjahre unsere Kenntnisse über die Entstehung und Veränderung des Weines und über die Gährungsvorgänge im Allgemeinen höchst mangelhafte. Es drängten daher alle

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