Verhältnisse nach der Errichtung- von rein wissenschaftlichen Anstalten, deren Hauptaufgabe zunächst in der Lösung der theoretischen Fragen auf dem Gebiete des Weinbaues und der Weinbereitung gelegen war. Die erste derartige Anstalt wurde als »k. k. önologisch-pomologische Versuchs-Station« im Jahre 1871 in Klosterneuburg errichtet. In rascher Reihenfolge entstanden dann noch andere ähnlich eingerichtete wissenschaftliche Anstalten als »Versuchs-Stationen« in verschiedenen Orten des Reiches, und zwar theils als Staats-, theils als Landesanstalten. Bis nun bestehen in Oesterreich folgende wissenschaftliche Versuchs­anstalten für allgemein landwirtschaftliche, sowie für die Zwecke des Weinbaues, der Seidenzucht, des Oelbaues u. s. wu:

K. k. chemisch-physiologische Versuchs-Station für Wein- und Obstbau in Klosterneuburg (Nieder­österreich).

K. k. landwirthschaftlich-chemische Versuchs-Station in Wien.

Iv. k. landwirthschaftliche botanische Versuchs-Station in Wien.

K. k. landwirthschaftlich-chemische Versuchs - Station für Weinbau und Seidenzucht in Görz (Küstenland).

K. k. landwirthschaftlich-chemische Versuchs-Station für Weinbau und Oelbau in Spalato (Dalmatien).

Landwirthschaftliche Landes-Versuchs-Station in S. Michele an der Etsch (Tirol).

Landwirthschaftliche Versuchs-Station in Marburg (Steiermark).

Landwirthschaftliche Versuchs-Station in Klagenfurt (Kärnten).

Versuchs-Station an der Landes - landwirtschaftlichen Anstalt in Parenzo (Istrien).

Die hier genannten Anstalten sind jene, welche sich vorwiegend oder doch vorkommenden Falles mit wissenschaftlichen Fragen und Fragen aus der Praxis zu beschäftigen haben, welche den Weinbau und die Weinproduction betreffen. In neuester Zeit hat aber das landwirthschaftliche Versuchswesen im Allgemeinen eine so hohe Bedeutung erlangt, dass die Begründung weiterer Versuchsanstalten, in welchen der Weinproduction grosse Aufmerksamkeit zugewendet wird, zu erwarten steht.

Wie schon der Name »Oenologische Versuchs-Anstalten« andeutet, liegt die Hauptaufgabe derselben in der Durchführung wissenschaftlicher Untersuchungen über die Lebensverhältnisse der verschiedenen Reben­sorten und über das Wesen des Weines. Ein anderer, nicht minder wichtiger Zweig der Thätigkeit dieser Versuchs-Stationen liegt aber auch in der Untersuchung von Weinen und anderen geistigen Getränken in Bezug auf ihre Zusammensetzung und Echtheit, so dass durch diese Thätigkeit einerseits den richterlichen und zollamtlichen Behörden in zweifelhaften Fällen die erforderlichen wissenschaftlichen Behelfe geliefert werden können und andererseits über die Reinheit der in den Handel kommenden Weine gewacht wird. Durch Untersuchungen über die zweckmässigsten Verfahren zur Bekämpfung von Rebenschädlingen, Prüfung von Düngemitteln und Weinbergsböden bringen die Versuchs-Stationen den Weinbauern unmittelbaren Nutzen. In neuerer Zeit ist zu der vielseitigen Thätigkeit dieser wissenschaftlichen Anstalten auch noch jene getreten, welche das Studium der verschiedenen Hefearten und die Lieferung von Reinzuchthefe an die Weinproducenten betrifft. Es ist in der Natur der Sache gelegen, dass die Ergebnisse der streng wissen­schaftlichen Forschung sich nicht unmittelbar durch Fortschritte in der Praxis zu erkennen geben; w T ie sehr sie dieselbe aber in günstiger Weise beeinflussen, zeigt sich in geradezu ausserordentlicher Weise an der mächtigen Entwickelung, welche im Laufe der letzten Jahrzehnte die Ivellerwirthschaft in Oesterreich genommen hat, und an der Hebung in der Qualität der Weine, welche als eine unmittelbare Folge der Einführung einer zweckmässigen Behandlung des Weines im Keller anzusehen ist.

Ein wesentlicher Antheil des Aufschwunges, welchen der Weinbau und die Weinproduction in Oesterreich genommen haben, ist auch dem günstigen Einflüsse zuzuschreiben, welchen die Thätigkeit der Weinbauschulen auf die Weinbau treibende Bevölkerung genommen hat. Schon in der Gegenwart besitzt jedes der Weinbau treibenden Länder Oesterreichs eine oder mehrere ausschliesslich dem fachlichen Unterrichte im Weinbau und in der Kellerwirthschaft gewidmete Lehranstalten, welche sich ihrer Einrichtung nach in zwei Gruppen theilen lassen: in höhere önologische Lehranstalten, welche den Charakter einer Mittel­schule besitzen und nur solchen Schülern zugänglich sind, welche einen gewissen Bildungsgrad nachzu­weisen vermögen, und in Winzerschulen, welche von dem neu eintretenden Zöglinge nur die in der Volks­schule zu erwerbenden Vorkenntnisse verlangen.

Die erstgenannten dieser Lehranstalten sind hauptsächlich dazu bestimmt, zukünftige Leiter von grossen Weinbaugütern und Kellermeister heranzubilden, indes den Winzerschulen die Aufgabe zutheil

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