MARIENBAD UND SEINE HEILQUELLEN.

n duftiger Waldschlucht, überragt von fichtenbewachsenen Bergen liegt Marienbad, einen weiten Thal­kessel bildend, im Nordwesten des Königreiches Böhmen, 182 Kilometer von Prag, 38 Kilometer von Eger, Franzensbad und Karlsbad, 76 Kilometer von Pilsen, Hof und Plauen entfernt, 640 Meter über der Nordsee. Nur gegen Süden offen, sonst nach allen Seiten von dunkelgrünen Waldbergen um­schlossen, bietet der von anmuthigen Spazierwegen durchzogene und mit prächtigen Parkanlagen ver­sehene Curort dem Beschauer ein äusserst wohlthuendes, interessantes Bild und übt selbst auf das verdüstertste Gemüth einen frischen, erheiternden Eindruck. Der Charakter des Gebirges ist ein lieblicher, milder, die wellige Formation der dicht bewaldeten, zwar hoch, aber sanft ansteigenden Berge, die Abwechslung zwischen den ernst­dunklen Höhen und den lachenden grünen Fluren, durch welche sich von der Waldschlucht an die kleinen Bächlein, der Steinhaubach und Schneidbach, sowie der Hamelikabach dem Auschowitzerbache zudrängen, die wohlgepflegten, in bunten Farben glänzenden Blumenbeete, die zierlichen weissen Wohnhäuser alles das gibt im harmonischen Wreine ein so reizendes Idyll, dass Jeder, der hierher kommt, sich davon angenehm berührt fühlt.

Gegen Norden des Curortes erhebt sich der Steinhauberg, nordostwärts und ostwärts der Mühlberg, gegen Südost der Hamelikaberg und gegen Westen der Schneiderrangberg. Gegen Süden, hinter dem Ferdinandsbrunnen und der Schönau, treten die Berge mehr zurück, und man sieht auf weite Feldfluren und coupirtes Terrain, auf welchem sich die benachbarten Ortschaften Neudorf, Dreihacken, Kuttenplan und Plan ausbreiten, während weiterhin der Pfraumberg und der Dillenberg emporragen.

Die im Jahre 1872 eröffnete Franz Josephbahn hat Marienbad in das Schienennetz der Weltbahnen gezogen und besonders mit Pilsen und Eger sehr nahe verbunden. Mit Karlsbad und Franzensbad besteht eine mehrmalige tägliche Verbindung durch Eisenbahnzüge.

Der mittlere Barometerstand ist 702-95 Millimeter, die mittlere Temperatur der Luft -|- 6° R.

Das Klima des Curortes trägt im Allgemeinen den Charakter der Klimate des mittleren Deutschlands. Die Configuration des Bergbusens, in dem Marienbad liegt, ist derart, dass der Zutritt der Mittagssonne unbehindert erfolgt, w T ährend die West-, Ost- und Nordwinde, sowie stärkere Stürme durch die umliegenden Waldberge ab­gehalten werden. Die höhere Lage des Curortes hat allerdings zur Folge, dass Morgens und Abends kühlere Witterung herrscht, wie auch die Vegetationsentwickelung im Allgemeinen später eintritt.

Die Luft ist gleichfalls der erhöhten Ortslage wegen eine dünnere, an Ozongehalt reichere, mässig feucht, mit den Exhalationen der Nadelholzwaldungen gewürzt und übt in mehrfacher Richtung einen günstigen Einfluss, da durch die Einathmung einer so vortrefflichen, sauerstoffreichen Luft unter sonst günstigen, meteorologischen Verhältnissen die Thätigkeit des ganzen Organismus gesteigert wird und dadurch alle Verrichtungen lebens­kräftiger werden.

Das Marienbader Terrain befindet sich an der südwestlichen,. dem Böhmerwalde zugekehrten Abdachung des »nordwestlichen Mittelgebirges« (Zippe), welches ein fast gleichschenkliges Dreieck bildet, an dessen Spitzen die drei w T eltberühmten Curorte Marienbad (südlich), Karlsbad (nördlich) und Franzensbad (nordwestlich) liegen und das in der Tiefe als die Bildungsstätte unserer Glaubersalzquellen, der Kohlensäureströmungen und mineralischen Moor­erden angesehen werden kann. Die Haupt- und Grundmasse dieses Gebirges besteht aus Granit, welcher sich an der westlichen und südwestlichen Abdachung aus krystallinischen Schiefern, Glimmerschiefer, Hornblendenschiefer und Gneis erhebt.

Marienbad zählt in seiner gegenwärtigen Ausdehnung zwei Plätze und 16 Strassen und Gassen. Alle gewähren eine treffliche Aussicht ins Freie, auf Waldesgrün und Wiesenschmuck. Die Anlage Marienbads stellt eine Schlangenlinie von Häusern dar, welche sich von bewaldeten Höhen in ein Thal herabzieht, das nach Art eines englischen Parkes angelegt ist. Die Häuser sind zumeist schöne, grosse Gebäude, mit luftigen, hohen und gut möblirten Zimmern, welche für die Unterkunft der Curgäste selbst in der Höhe der Saison ausreichen. Wie ver­schieden auch die Wohnungen in Bezug auf Comfort und elegante Ausstattung sind, so charakterisiren sich doch alle durch die Reinlichkeit in der Einrichtung, sowie durch die Zuvorkommenheit und Freundlichkeit der Hausleute den Gästen gegenüber.

Kaum einen zw-eiten Curort der Welt gibt es, welcher so vielfältige und verschiedenartige Heilmittel ver­einigt, wie Marienbad, das von der Natur in dieser Beziehung auf das verschwenderischeste ausgestattet wurde. Auf einem kleinen Terrain finden sich hochbedeutungsvolle Wässer nahezu entgegengesetzt in ihrer Wirkung, auf­lösende Glaubersalzwässer und stärkende Eisenwässer, vereinigt, und fast alle Arten von Bädern, über welche die Balneotherapie verfügt, sind hier in glücklicher Combination vertreten: Säuerlingsbäder, salzhältige Bäder, kohlen­saure Gasbäder, Eisenbäder und Mineralmoorbäder.

Der Marienbader Kreuz- und der Ferdinandsbrunnen gehören zu den alkalisch-salinischen Quellen, d. h. zu jenen Mineralwässern, welches ich vorzugsweise durch den Reichthum an schwefelsaurem Natron, neben kohlen-

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