Die erste für den fabriksmässigen Betrieb der Sodaerzeugung nach dem Leblanc-Verfahren bestimmte Fabrik war die im Jahre 1851 von Miller und Hochstetter zu Hruschau in Mähren gegründete Anlage, die unter der Leitung von Karl Hochstetter, der vordem in Brünn ein der Erzeugung von Blutlaugensalz dienendes Etablissement errichtet hatte, sich zuerst als Erzeugungsstätte für Soda behauptete.
Ihr folgte zunächst die im Jahre 1853 in Petrowitz von Heinrich Grafen von Larisch-Mönnich errichtete, noch gegenwärtig im Besitze der gräflichen Familie stehende Sodafabrik, bei deren Gründung ebenso wie in Hruschau die seitens des Finanzärars gewährte Ermässigung des Salzpreises, wie eine solche übrigens schon früher den Gebrüdern Robert in Hallein bewilligt worden war, ausschlaggebend gewesen sein dürfte. Indes genügte die gewährte Ermässigung noch nicht, um diesen Fabriken eine wirksame Concurrenz gegenüber der ausländischen Sodaproduction zu ermöglichen, und die damals erzeugten Quantitäten von Soda, von welcher beispielsweise die Sodafabrik in Petrowitz anfänglich pro Jahr nur wenige Tausend Wiener Centner auf den Markt brachte, deckten beiweitem nicht den damals schon bestandenen inländischen Bedarf an diesem Producte.
Erst durch die seitens der Gründer des Vereines für chemische und metallurgische Production in Aussig im Jahre 1857 hohenorts erwirkte Bewilligung zur zollfreien Einfuhr des billigen ausländischen Salzes nach Oesterreich wurde der Boden für eine erfolgreiche Entwickelung dieses Industriezweiges geebnet, und von da an datirt streng genommen erst der lebhafte Aufschwung, welchen die chemische Gross-Industrie in den letzten 50 Jahren in Oesterreich zu verzeichnen hat, ein Aufschwung, welcher die verschiedensten Richtungen der chemischen Production gleichmässig betrifft, sofern der durch die Entwickelung der Sodafabrication nach dem Leblancverfahren bedingte erhöhte Bedarf an Schwefelsäure einen belebenden Einfluss auf die Schwefelsäure-Industrie übte, während das Streben nach der Verwerthung der bei dem Leblanc-Processe als Nebenproduct sich ergebenden Salzsäure eine rege Entwickelung der Industrie der Chlorproducte, insbesondere der Erzeugung von Chlorkalk, zur Folge hatte und mit der Verfügbarkeit billiger Soda im Inlande die Erzeugung von anderen Producten, denen Soda als Rohmaterial dient, wesentlich belebt wurde.
War hiedurch eine merklich bessere Grundlage für die Entwickelung einer chemischen Gross- Industrie in Oesterreich gewonnen, so trug weiters die Einführung von Schutzzöllen für die Erzeugnisse der österreichischen chemischen Industrie, wie nicht minder der für andere Industriezweige geschaffene Zollschutz, durch welchen die Entwickelung der Production solcher, die namhafte Consumenten chemischer Producte wurden, ausserordentlich gefördert worden war, dann die allmähliche Verbesserung der Verkehrsverhältnisse, und nicht in letzter Reihe die Hebung des öffentlichen Credites ganz bedeutend zur Erstarkung dieser Industrie bei.
Diesen Factoren gesellte sich aber eine Anzahl von in Oesterreich gemachten hervorragenden Erfindungen zu, durch welche erhebliche Verbesserungen im Betriebe der Fabrication diverser chemischer Producte erzielt wurden, sowie die rechtzeitige Einführung anderweitig bereits mit Erfolg durchgeführter Vervollkommnungen und Verbesserungen der Verfahrungsarten, durch welche eine bessere Ausnützung der zur Verfügung stehenden Rohmaterialien und damit eine wesentliche Steigerung der Concurrenz- fähigkeit der österreichischen chemischen Production gegenüber der in England, Belgien, Frankreich und, zumal in den letzten Decennien, auch in Deutschland, unter den günstigsten Bedingungen und mit mächtigen Mitteln arbeitenden, in hohem Grade entwickelten chemischen Gross-Industrie erzielt wurde. Dazu kam noch die durch das Entstehen neuer chemischer Industriezweige in Oesterreich, sowie nicht minder die durch das wachsende Bedürfnis der Landwirthschaft an künstlichen Düngmitteln und sonstigen chemischen Producten bewirkte erhebliche Steigerung des inländischen Consums an Erzeugnissen der chemischen Gross-Industrie, durch welche an die Production solcher wesentlich höhere Ansprüche gestellt wurden und so mittelbar eine in den letzten Decennien ganz enorme Steigerung gewisser Productionszweige der chemischen Gross-Industrie herbeigeführt wurde.
So verdankt zumal die Production an Schwefelsäure, die bis um die Mitte der Vierzigerjahre sich in Oesterreich fast nur auf die Erzeugung des rauchenden Vitriolöles vonseiten der Johann David Starck’schen Werke und die Erzeugung von relativ geringen Mengen von englischer Schwefelsäure, die in einzelnen Fabriken betrieben wurde, beschränkte, ihre mächtige Steigerung dem stetig wachsenden Consum an Superphosphaten, wie nicht minder der Entwickelung der Mineralöl-Industrie, welche für die Zwecke der Raffination des Leuchtöles, sowie der immer mehr in Aufnahme kommenden Mineralschmieröle bedeutende Massen von Schwefelsäure
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