consumirt, und ebenso ist die namentlich in den letzten Decennien um ein Vielfaches gesteigerte Pro­duction an Kupfervitriol aus dem Bedürfnis der Landwirthschaft entstanden, welche dieses, früher fast nur für Zwecke des Betriebes von galvanischen Batterien, für Zwecke der Galvanoplastik, der Holz- conservirung und für die Erzeugung mancher Körperfarben verwendete Präparat in grossen Mengen als Conservirungsmittel für das Saatgetreide und neuestens als ein wirksames Gegenmittel gegen das Umsich­greifen der Peronospora in Anspruch nimmt.

Ebenso ist eine nennenswerthe Steigerung in der Production an Schwefelsäure sowohl, wie nicht minder an Salpetersäure der seit dem Anfänge der Siebzigerjahre in Oesterreich eingeführten Dynamit- Industrie und endlich der Einführung des rauchlosen Pulvers zu verdanken, und wenn durch die veränderte Gestaltung der Spreng- und Schiessmittel-Industrie in Oesterreich, welche zunächst ein Verdienst des damaligen k. k. Geniehauptmannes und nachmaligen Generaldirectors der Actiengesellschaft Dynamit »Nobel« Herrn Isidor Trauzl ist, auch die den Bedarf an Explosivstoffen bis dahin fast allein deckende Schwarzpulver-Industrie und mit ihr die Fabrication von Salpeter auf ein Minimum reducirt worden ist, so hat hiedurch die chemische Gross-Industrie doch wesentlich gewonnen.

Freilich steht Oesterreichs chemische Industrie auch heute noch in Bezug auf die Erzeugung von künst­lichen Farbstoffen und Farbenpräparaten dem Auslande, namentlich England und Deutschland, erheblich nach, und es ist begreiflich, dass das Fehlen des Massenconsums an Producten der chemischen Gross- Industrie, welcher seitens dieser Industriezweige erfordert wird, und der in Deutschland und England ganz wesentlich zu der so mächtigen Entfaltung der chemischen Gross-Industrie beigetragen hat, in Oesterreich nicht ohne Einfluss auf den Stand der chemischen Gross-Industrie geblieben ist.

Zwar hat die Farben-Industrie in Oesterreich sich schon früh entwickelt, wovon die im Jahre 1787 bei Wiener-Neustadt, unter staatlicher Unterstützung von Josef Czasek und Baron dAignebelle, errichtete Fabrik für die Erzeugung von Indigo aus Waid und die zahlreichen im 18. Jahrhundert in Böhmen (namentlich nächst Platten und Pressnitz) bestandenen Fabriken für die Erzeugung von Smalte (Kobaltblau), dessen Fabrication in Böhmen wahrscheinlich zuerst von Sebastian Preussler (1751) eingeführt wurde, dann die im Jahre 1817 von Hofrath von Mitis, dem Entdecker des Mitisgrüns, in Kirchberg am Wechsel errichtete Farbenfabrik, weiters die im Jahre 1819 von Karl Kinzelberger, in Gemeinschaft mit Wilhelm Sattler aus Schweinfurt, in Smichov nächst Prag errichtete Farbenfabrik (heute Eigenthum der Herren Emil und Friedrich Ritter von Portheim) Zeugnis geben. Aber es ist bis auf die Fabrication von Ultra­marin, das zuerst im Jahre 1843 von Wilhelm Setzer in Wien dargestellt und später (1845) in der von ihm er­richteten Fabrik zu Weitenegg bei Mölk zur fabriksmässigen Erzeugung gebracht wurde, welche Fabrication dann aber auch von Karl Kuhn und den Brüdern Kutzer bei Prag und in einer später von der Firma Johann Setzer übernommenen Fabrik in Karbitz bei Teplitz, endlich in neuerer Zeit in grossem Maassstabe von der Firma Johann David Starck eingeführt wurde und zum Theil noch betrieben wird, dann die von Wilhelm Brosche in Pelc und Tyrolka bei Prag im Jahre 1866 eingeführte Fabrication von Krappextracten (Alizarin und Purpurin) nach einem von Professor Dr. Friedrich Rochleder erfundenen Verfahren, der aber durch die Entdeckung des künstlichen Alizarins ein jähes Ende bereitet wurde, die Farben-Industrie zu keiner weiteren Entwickelung gekommen, und insbesondere besteht für die Erzeugung von künstlichen Farbstoffen (Theerfarbstoffen), für welche von den Gebrüdern Pribram zu Anfang der Siebzigerjahre eine Fabrik zu Königsberg in Böhmen mit bedeutenden Mitteln errichtet worden war, die schon nach kurzer Zeit dem Drucke der deutschen Concurrenz unterliegen musste, zur Zeit nur die Fabrik der Herren Emil und Friedrich Ritter von Portheim zu Pelc-Tyrolka (Firma Kinzelberger und Co.) bei Prag, welche diesen Industriezweig in Oesterreich repräsentirt.

Eine mächtige Entwickelung hat dagegen in Oesterreich die Erzeugung von Potasche genommen, welche schon in früheren Jahrhunderten in den waldreichen Gegenden Oesterreichs Eingang gefunden und dank des grossen Holzreichthums dieser Gegenden sich rege entwickelt hatte, aber zu Anfang dieses Jahr­hunderts in Folge des sich allmählich bemerkbar machenden Mangels an Holz, sowie in Folge der inzwischen durch die erfolgreichen Arbeiten Reichenbachs erstandenen Concurrenz in der Verwerthung des Holzes auf dem Wege der trockenen Destillation, mehr und mehr in Rückgang gekommen war.

Die Quelle des neuen Aufschwunges der Potaschen-Industrie war die zumal in Böhmen und Mähren mächtig emporblühende Zucker-Industrie geworden, die in ihrem Abfallsproducte, der Melasse, in grossen Massen das Ausgangsmaterial lieferte, aus welchem, nach Verwerthung des Zuckergehaltes für Zwecke der

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