Gewinnung von Alkohol, in der als Nebenproduct des Brennereibetriebes resultirenden Schlempe ein werth­volles Rohmaterial für die Erzeugung von Potasche gewonnen wurde, das von einer ansehnlichen Anzahl im grössten Style arbeitender Fabriken, zumeist im Anschlüsse an die Spiritusfabrication, auf Potasche ver­arbeitet wird. Diese Industrie bildet streng genommen eine' Form der Verwerthung der in Oesterreich leider nur spärlich, wohl aber in Deutschland in mächtigen Ablagerungen zur Verfügung stehenden natürlichen Kalisalze (Abraumsalze), welche zum Zwecke der Verwendung als Dungsalze von der österreichischen Land- wirthschaft importirt und auf dem Wege durch die Runkelrübe, für deren Cultur sie eines der wichtigsten Dungmittel bilden, in Form von Salzen organischer Säuren in die Zuckersäfte und endlich aus diesen in die Melassenschlempe gelangen, und es concurrirt diese Form der Umwandlung natürlicher Kalisalze in werthvolle Potasche nicht ohne Erfolg mit den Arten der directen Verarbeitungen des Chlorkaliums und des Kaliumsulfates auf Potasche, welche in Deutschland mehrfach zur fabriksmässigen Ausführung ge­kommen sind.

Allerdings sieht diese Industrie, wie nicht minder die Soda-Industrie, deren Betrieb nach dem Leblanc- Processe in den letzten Decennien mehr und mehr durch die weit einfachere und rationellere Gewinnung nach dem von den Gebrüdern Solvay zuerst für den Grossbetrieb ausgebildeten Ammoniakprocesse verdrängt worden ist, im Augenblicke wieder einer wesentlichen Umgestaltung durch die inzwischen in den Grossbetrieb eingeführte Methode der elektrolytischen Zerlegung natürlich vorkommender Alkalisalze (Chlorkalium und Chlornatrium) entgegen, und es bahnt sich gegenwärtig, wo die elektro-chemischen Processe in der chemischen. Gross-Industrie bereits festen Fuss gefasst haben, eine gewaltige Um­wälzung zunächst auf dem Gebiete der Alkali-Industrie, dann aber auch auf dem Gebiete der Erzeugung von Chlorproducten an, deren Gewinnung im innigsten Zusammenhänge mit dem Feblanc-Sodaprocesse steht, ein Umschwung, der, soferne das Vorhandensein billiger Kraftquellen (mächtiger Wasserkräfte) ein Hauptfactor für die Verfügbarkeit des erforderlichen Bedarfes an billiger elektrischer Energie ist, wohl darin seinen Ausdruck finden wird, dass der Schwerpunkt der bezüglichen Industrieunternehmungen wird in Gegenden verlegt werden müssen, in welchen solche billige Kraftquellen sich darbieten.

So steht mit dem Ende des Jahrhunderts, in dessen zweiter Hälfte die chemische Gross-Industrie Oesterreichs, dank des Zusammenwirkens weiser Maassnahmen der Regierung mit den erfolgreichen Bestrebungen hervorragend tüchtiger Fachmänner, sich zu einer Achtung gebietenden Stellung entwickelt hat, diese Industrie vor einer gewaltigen Krise, und in dem schweren Concurrenzkampf, in welchem sie sich gegenüber Deutschland, England und Belgien befindet, die eine unter staatlichem Schutze mächtig entwickelte und durch die ihr so reichlich gebotenen Wege eines überaus lohnenden Exportes nach allen Theilen der Welt den Weltmarkt beherrschende Industrie aufzuweisen haben, drohen nun auch noch Fänder, deren chemische Gross-Industrie bisher kaum nennenswerth war, wie Schweden, Norwegen und die Schweiz, vielleicht auch Russland, als gewichtige Gegner aufzutreten, die in dem Reichthume billiger Wasserkräfte eine werthvolle Grundlage für die Entwickelung einer leistungsfähigen elektro-chemischen Industrie besitzen. Es wird der Anspannung aller Kräfte, aber auch der grössten Fürsorge der Regierung bedürfen, um in diesem gefährlichsten aller Kämpfe die österreichische chemische Gross-Industrie vor einem Niedergange zu schützen!

Um einen Einblick ' in den Werdegang und den heutigen Stand der chemischen Gross-Industrie in Oesterreich zu gewinnen, mögen im Folgenden die wichtigsten Unternehmungen auf diesem Industrie­gebiete, geordnet nach der chronologischen Reihenfolge der Entstehung, hier angeführt werden.»)

Zu den ältesten geschichtlich bekannten und heute noch im Betriebe stehenden Unternehmungen zählt das Mineralwerk zu Lukawitz auf der Herrschaft Nassaberg in Böhmen, welches nachweislich im Jahre 1630 von einer Gesellschaft zum Zwecke der Verwerthung der dort aufgefundenen Schwefelkies­lager gegründet wurde und das später in den Besitz der gräflich Schönbornschen Familie übergieng. Das Lukawitzer Werk hatte schon im Jahre 1786 einen bedeutenden Umfang erreicht und beschäftigte bereits 300 Arbeiter. Hauptgegenstand der Fabrication war die Gewinnung von Schwefel und Schwefel­blumen, dann von Eisenvitriol und die in Oesterreich zuerst von dem Bergverwalter Joh. Czischek im Jahre 1778 eingeführte Erzeugung von Oleum, welcher sich später die Fabrication von englischer Schwefel­säure zugesellte. Die Einführung der letzteren dürfte auf Ignaz Brem zurückzuführen sein, der etwa durch neun Jahre Leiter der Fabrik in Lukawitz war und im Jahre 1833 in Gemnik bei Schlan in Böhmen selbst

') Die von dem Herrn Verfasser gelieferten Detailbesprechungen zu den einzelnen chemischen Etablissements konnten wegen Raum­mangel leider nur in gekürzter Form wiedergegeben werden. Die Redaction.

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