ihre galenischen Präparate zu erzielen, und heute hat dieselbe einen über die ganze Monarchie verbreiteten Kundenkreis von mehr als 1000 Apothekern, die ihre pharmaceutisch-galenischen Präparate zum Theil nicht mehr selbst erzeugen, sondern aus der genannten Fabrik beziehen. Die ersten Artikel, welche dem Grossbetriebe überantwortet wurden, waren Extracte und Pflaster, da deren Erzeugung im kleinen, be­sonders bei den weniger gangbaren Pflastern und Extracten, so umständlich und beschwerlich ist und so viel Verlust aufweist, dass es niemandem verlohnte, die aus den Fabriken fast billiger erhältlichen Präparate im eigenen Laboratorium herzustellen. Das erste Pflaster, welches im grossen erzeugt und in Folge dessen von den einzelnen Apothekern nicht mehr selbst gemacht wurde, dürfte das sogenannte »Englische Pflaster« gewesen sein. Dann folgten aber auch Pflaster in Stangen und später die gestrichenen Pflaster, die besonders bald Eingang fanden, weil das Pflasterstreichen im kleinen eine schwierige und unangenehme Arbeit ist, während man im grossen mit Maschinen viel gleichmässigere und auch äusserlich viel schönere Producte erhält. An die gestrichenen Pflaster reihten sich sehr bald die Kautschukpflaster an, die zuerst von Amerika aus importirt, dann aber bald im Inland hergestellt wurden. In Bezug auf diese »Collemplastra« genannten Kautschukpflaster hat sich namentlich das pharma- ceutische Laboratorium des Apothekers Hans Turinsky in Wien (Sanitätsgeschäft »Austria«) grosse Verdienste durch Herstellung solcher Kautschuklanolinpflaster erworben, welche die genannte Fabrik unter dem Namen »Collaetine« in den Verkehr bringt, ebenso Apotheker Kremei in Wien, welcher ein dem amerikanischen Kautschukpflaster analoges Product erzeugt. Apotheker Kremei hat übrigens auch die Erzeugung einer grossen Anzahl anderer pharmaceutischer Producte, wie Extracte, Tincturen, concen- trirte aromatische Wässer, Spiritus und Salben, Eisenpräparate, Cerate, sowie die Herstellung von Filtrir- papieren, Wachspapieren u. a. in Angriff genommen, welche Artikel übrigens alle auch von der Firma G. Hell & Comp: in Troppau erzeugt werden, die in jüngster Zeit überdies eine neue Salbengrundlage, das Unguentum Case'fni, in Verkehr bringt. Erwähnt seien überdies noch die pharmaceutischen Fabriks­laboratorien von Walliczek & Locker in Wien, von Dr. Fragner in Prag, Roessler in Prag, Stapf in Innichen, K. E. Hoffmann und Dr. Serravallo in Triest. Der letztere hat ebenso wie die Firma G. Hell & Comp, mit seinem Fabrikslaboratorium eine En gros-Medicinal-Droguerie und Droguenappretur in Verbindung gebracht, welche einen bedeutenden Export nach Dalmatien, Italien und dem Orient hat. Einen speciellen Industriezweig der südlichen Provinzen Oesterreichs bildet die Gewinnung des blau­säur ehältigen, aromatischen Kirschlorbeerwassers, welches durch Destillation der Kirschlorbeerblätter gewonnen wird. Das bedeutendste Etablissement dieser Art hat Apotheker Cristofoletti in Görz.

3. Arzneispecialitäten werden im allgemeinen für den Verbrauch vollkommen fertig her- gerichtete, im -grossen erzeugte Arzneimittel genannt, welche mit einem bestimmten Namen und mit Ge­brauchsanweisung versehen von einzelnen Apothekern oder Fabrikanten in Verkehr gebracht werden, und zwar zumeist nicht nur für die Clienten der eigenen Apotheke, sondern auch für andere.

Im Auslande bildet diese Art von Medicamenten-Erzeugung eine ausserordentlich bedeutende Industrie, namentlich in England und Amerika, wo Arzneien auch patentirt werden können. Es ist bekannt, dass Erzeuger solcher Specialartikel, wie z. B. Holloway in England, Hunderte von Millionen mit ihren Specialitäten erwarben und bei ihrem Ableben einen grossen Theil derselben für wohlthätige Stiftungen vermachten. In Oesterreich konnte sich diese Industrie nie in dem Maasse entwickeln, denn erstens waren die Arzneimittel seit jeher von jeder Patentirung ausgeschlossen, es gab also überhaupt keine »Patent- medicinen«, wie diese Artikel in Amerika und England genannt werden, und zweitens waren Geheim­mittel bei uns stets verboten. Es durfte also niemand die Zusammensetzung seiner Arzneispecialitäten geheimhalten, und da hiedurch jeder Concurrent leicht in der Lage war, dieselben nachzumachen, so konnte es dem Erzeuger solcher Specialartikel nur schwer gelingen, einen grossen Absatz für dieselben zu erzielen. Das einzige Mittel hiefür blieb ausser der reellen Wirkung des Präparates noch die Reclame, und auch diese wurde durch die neueren gesetzlichen Bestimmungen vollkommen unterbunden, indem zunächst mittelst Erlass der niederösterreichischen Statthalterei und später auch mittelst Ministerial-Erlass die Nen­nung von Krankheiten in Ankündigungen der Apotheker verboten wurde. Eine genaue Regelung der Herstellung und des Vertriebes pharmaceutischer Specialitäten ist mittelst Verordnung des Ministeriums des Innern vom 17. December 1894 erfolgt. Man kann aber nicht sagen, dass dieselbe eine Förderung der Fabrication pharmaceutischer Specialitäten mit sich gebracht hätte. Im Gegentheile ist seither eher ein Rückschritt eingetreten, weil die diesbezüglichen Bestimmungen ausserordentlich strenge sind. Vor

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