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Gold-, Silber- und Granaiwaaren-Fabrikation. (Prag.) 1. Gold- und Silberwaaren-Fabrikation.

Stehen Frauen und Mädchen blos als Schleiferinnen in Verwendung.

Diese Arbeit erfordert eine dreijährige Lehrzeit. Die Mädchen treten mit dem 12. bis 13. Lebensjahre ein, und werden Anfangs mit dem Poliren kleinerer Gegenstände, wie Kügelchen, Stiften, Oehrchen u. s w. beschäftigt, und erst später, wenn sie eine gewisse Fertigkeit erlangt haben, bekommen sie Ringe, Kreuze, Brocken, Bracelets und dgl. in Arbeit.

Es geht dies nach Rangstufen, je nach der Fähigkeit und Dauer der Lehrzeit.

Die Arbeit besteht in Folgendem:

Der von dem Goldarbeiter bereits fertig gemachte Gegenstand, der aber ganz matt und unansehnlich aussieht, wird zuerst mit einem feinen Schleifstein, der die Form eines flachen zugespitzten Griffels hat, mit der Hand abgeschliffen und dann mit Trippei unter Zuhilfenahme einer Haarbürste gebürstet. Jene Stellen, wie Winkel oder Höhlungen, wohin man mit der Bürste nicht gelangen kann, werden mit Buchsholzstäbchen oder mit Hanf- oder Pfaffenholz gestupft, d. i. mit der Spitze gerieben, und hierauf mit weichem Schafleder oder mit Zwirn ausgezogen.

Schliesslich wird der Artikel mit Pariserroth unter Zuhilfenahme einer Tuch- und Lederfeile abgerieben, wodurch dieselbe erst den Glanz erhält. Grosse Flächen, wie bei Bracelets in- oder auswendig oder bei Siegelringen werden überdies, damit sie ganz glatt und glänzend werden, mittelst Fingers mit Pariserroth abgerieben, um die Streifchen ver­schwinden zu lassen, welche nach dem Abreiben mit der Tuchfeile noch zurückgeblieben sind. Die Stellen, welche dem Finger unzugänglich sind, werden in gleicher Weise mit kleineren oder grösseren Korkstückchen behandelt.

Zuletzt wird der Gegenstand ausgewaschen, um die Ueberbleibsel von Roth zu be­seitigen.

Artikel von Gold, welchegefärbt* werden sollen, werden blos mit dem Schleif­stein abgeschliffen und dann mit Trippei polirt. Das Bürsten mit Pariserroth entfällt.

Solche Gegenstände werden dann einem Färbeprozesse auf chemischem Wege unter­worfen, um das bestimmteGelb zu erzielen.

Die Arbeit geschieht sitzend vor einem Werkbret, welches in Halbzirkelform aus­geschnitten und in der Mitte mit einem sogenannten Feilennagel versehen ist, auf den der zu polirende Gegenstand aufgelegt oder angelehnt wird; der Feilnagel dient mehr zur Stütze der Hand.

Das Mädchen sitzt auf einem ganz niedrigen dreibeinigen Schemmel frei und ohne die Brust anzulehnen.

Die Arbeit ist leicht und nimmt blos beide Hände in Anspruch.

Die Arbeit währt täglich 10 Stunden das ganze Jahr hindurch, mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage.

Die Arbeiterinnen stehen durchaus in Wochenlohn und erhalten je nach der Fähig­keit 5, 6, 7 und 8 fl. per Woche. Bei Geschäftsandrang wird auch über die Zeit gear­beitet und eine Ueberstunde 2 1 ,/ 3 mal höher entlohnt als die gewöhnliche Arbeitszeit.

ln der Fabrik von Michael Goldschmidt Söhne in Prag erhalten die Lehrmädchen beim Eintritte 70 kr. per Woche, und steigt ihr Lohn so, dass sie im 3. Jahre der Lehr­zeit 3 fl. per Woche erhalten.