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Die Verwendung weiblicher Arbeitskräfte in der Fabriks-Industrie und in einzelnen Zweigen des Verkehrswesens Österreichs : Weltausstellung 1873 in Wien ; erläuternder Text zu einer Abtheilung der Ausstellung im Frauen-Pavillon / verfasst von Carl Holdhaus und Franz Migerka
Entstehung
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Gruppe II.

Lanriwirthschaft, ForMwirthsoliaft. Wein-, Obst- und (üartenbaii.

Seidenzach L

Die Phasen, welche die Seidengewinnung zu durchlaufen hat, theilen sich in zwei Hauptgruppen; die erstere umfasst die Entstehung des seidenspinnenden Schmetterlings, die andere die Behandlung des gewonnenen Seidenfadens bis zu dem Momente, wo er, den ver­schiedenen industriellen Zwecken entsprechend, in Verkehr gebracht wird.

Die erstgenannte Arbeitshälfte, die eigentliche Zucht der Seidenraupe, ist eine Be­schäftigung, die ausserordentlich viel Sorgfalt, Geduld und Liebe zur Sache fordert und eben um dieser nothwendigen Eigenschaften willen, vorzugsweise geeignet erscheint, von Frauen verrichtet zu werden. Einen Beleg für ihre Befähigung zu dieser Arbeit, liefern wohl alle seidenbautreibende Länder.

Frl. Jenny Krause, die seit mehreren Jahren die Seidenraupenzucht in Steiermark mit dem günstigsten Erfolge betreibt, gibt uns in einem Glaskasten ein in interessanter und anschaulicher Weise zusammengestelltes Bild der Seidenraupenzucht.

ln Bogengruppen aufgestelltes Gesträuch (Beisstroh oder Birkenzweige) dient den Kaupen zur Zeit der Verpuppung, um sich einzuspinnen.

Das Gespinust bildet die sogenannten Cocons, deren etwa 400 ein Pfund wiegen (10 Pfd. Cocons geben kaum mehr als 1 Pfd. Seide). Im Coeon liegt die gelblich braune, kegelförmige Puppe, die sich etwa nach 14 Tagen in einen Schmetterling verwandelt, der dann aus einem kleinen Loche ausschlüpft, nach einem Lebenslauf von wenigen Tagen, nachdem er sich gepaart und Eier gelegt, stirbt.

Aus den Cocons, welche man für die Seidengewinnung benützen will, lässt man den Schmetterling nicht ausschlüpfen, sondern tödtet die Puppen schon nach 10 Tagen durch Schwefeldämpfe.

Behufs Auflösung des Leimes, der die Fäden zusammenklebt, werden die Cocons in heisses Wasser geworfen. Die Enden mehrerer Cocons werden aufgesucht, ein wenig zu­sammengedreht und aufgehaspelt. Eine andere Person peitscht die schwimmenden Cocons mit einem Keiswische und sondert die sich daran hängenden krausen Fäden ab.

Der durch das Abhaspeln gewonnene Faden, wozu sich jedoch nur ein Theil des Gespiunstes eignet, kommt als Kohseide in den Handel. Nur für Stoffe leichtester Gattung verwendbar, müssen jedoch, um den Anforderungen der Industrie ganz zu entsprechen» zwei oder mehrere Fäden zusammengezwirnt werden. Nach der Stärke der hiezu erforder­lichen Drehung unterscheidet man Tramseide (Einschlag) und Organzinseide (Kette). Die äusserste wie die innerste Hülle der Cocons sind Abfälle und als solche wohl verwendbar,