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chen auf einen Felsen gefahren. Wir springen entsetzt auf und machen Anstalten zum Schwimmen. Aber unser alter stromkundi- gcr Reis Bellahl sitzt mit dem gemüthlichsten Gesichte von der Welt am Steuer und ruft uns freundlich zu: ,,Mahlesch"! Dank sei es diesem ,,Berge und Thäler ebnenden, das Unmögliche möglich, das Unerträgliche erträglich machenden, den Zorn beschwichtigenden, die Angst verbannenden" Worte, mit der unendlich vielfachen Bedeutung, welche ich mit: ,,Es thut Nichts" übersetzen will, — wir beruhigen uns. ,,Dic Barken sind sehr fest und halten manchen Stoß aus; ich habe noch ganz andere erlebt," sagt unser Altvater aller Kataraktcnschiffer, ,,scid ohne Sorgen!" ES war nicht zu bezweifeln, Bellahl kannte den Strom wie kein Anderer, er wußte jeden unter dem Wasser liegenden Felsen, schon ehe wir hinkamen, aber eben so unzweifelhaft schien eS zu sein, daß er mit einem gewissen Behagen das Schifflein auf den ihm bewußten Felsen jagte. Einige Tage nach dem eben Erzählten stieß unser mit starkem Winde segelndes Schiffchen so heftig auf versteckte Felsen auf, daß das Wasser durch einen bedeutenden Leck in's Innere eindrang. Aber man war auch auf Aehnliches gefaßt. Lumpen und Werg lagen bereit und wurden sofort zum Kalfatern verwandt; sie reichten nicht; da riß sich einer der Matrosen sein Hemd vorn Leibe und opferte es zu gleichem Zwecke für das allgemeine Wohl. In wenig Minuten war der Schaden beseitigt.
Am 20. November kamen wir zum Schellahl *) von Seinne. Durch drei Stromengen, von einer kaum mehr als vierzig Fuß betragenden Breite, drängt sich die ungeheure Wassermcnge des Nil hindurch. Das Wasser steht am Anfange der Stromstelle positiv um sechs Fuß höher als zwanzig Fuß weiter stromabwärts. Wir fuhren mit aller Segelkraft bis an einen der brausenden Wasserstürze heran, unsere Matrosen stürzten sich mit einem Seile in den schäumenden Gischt, durchschwammen den heftigen Wogenzug und befestigten ihr Tau und somit unser Schifflcin an einem Fels- blocke. Hier lagen wir, bis sich die Mannschaft sämmtlicher acht
') Unter Schellahl versteht ber Nubier eine Stromschnelle.