2

und Wehrhastmachung der Frauenwelt in dem schweren Kampf um ihre physische und wirtschaftliche Existenz.

Wenn Friedr. Schiller noch vor hundert Jahren (1795) den herr­lichen Hymnus aus die Frauen anstimmen konnte:Ehret die Frauen", so greift in diese Harmonie die schrille Dissonanz des Tages roh hinein, und gezwungen durch die Noth der Zeit tönt es in den Massen: Nähret die Frauen!" Das Bild des treuen, nie ermüdenden Waltens der Hausmutter hat noch Schiller in seinem unsterblichen Werke mit dem charakteristischen Zuge ausgestattet:Sie lehret die Mädchen." Wie dunkel ist der Hintergrund, von dem sich heute dieses Bild abhebt! Wie kann die Mutter lehren, was sie selbst nicht ge­lernt hat, was sie bei total geänderten Lebensverhältnissen auch gar nicht lernen konnte, weil keine Gelegenheit da war, es zu lernen? Oder sollten die Dinge zu schwarz geschildert sein? Sollte eS sich wirklich nur um ein in den Köpfen exaltierter Frauen und Männer entstandenes Hirngespinst handeln? Der Gegenbeweis ist unschwer zu führen; man braucht sich nur einige Zahlen zu vergegenwärtigen.

Ende December 1890, zur Zeit des Abschlusses der letzten Volks­zählung, gab es in Österreich rund 11,680.000 Personen männlichen und 12,200.000 Personen weiblichen Geschlechtes. Dieses überragte demnach das männliche um mehr als eine halbe Million; aus je 1000 Männer entfielen 1044 Frauen.*) Anderseits standen von 9 Millionen über zehn Jahre alten Angehörigen des weiblichen Geschlechtes in Öster­reich über 5 Millionen in selbständigem Erwerb. Daher erklärt sich die von Rauchberg hervorgehobene Wahrnehmung, dassdie größere Jnten- sivität des wirtschaftlichen Lebens in der Monarchie in der durch die Volkszählung von 1890 markierten Periode der stärkeren Betheiligung des weiblichen Geschlechtes an der Berufsarbeit zuzuschreiben sei, denn von je 100 Erwerbsthätigen waren 1869 nur 43'9o/<>, 1890 bereits 44'5°/g weiblichen Geschlechtes, von je 100 Frauen waren 1869 noch 50'6o/o, 1890 schon 51'2°/<, berufsthätig". Dabei muss man aber auch im Auge behalten, dass in der Zeit von 18811890 auf je 100 heirats­fähige Personen durchschnittlich nur 22 Eheschließungen fielen. Ähnlich verhält es sich auch in anderen großen Culturstaaten, z. B. im Deutschen Reiche, wo es in der gleichen Zeitperiode nahezu eine Million (988.376) sogenanntüberschüssige" Frauen gab. Von den damals gezählten

*) Vgl. Rauchberg:Die Bevölkerung Österreichs." Wien 1895, A. Hölder. Über das Schwanken dieses Überschusses in verschiedenen Zeitabschnitten und über die Art der Vertheilung desselben hat dieser Autor in seinem Werke sehr interes­sante Studien veröffentlicht.