8

Rubrik in den Berichten der Ärzte und speciell jener der Fabriks- und Bezirkskrankencassen. Die leider in weiteren Kreisen fast gar nicht bekannten Ergebnisse der Enquete über die Arbeits- und Lebensver­hältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen, welche in der Zeit vom 1. März bis zum 21. April 1895 in Wien abgehalten worden ist "1, liefern, wenn man einen noch so objectiven Maßstab bei ihrer Beurtheilung anlegt, ein wohl auch für anderwärtige Zustände zutreffendes, schrecken- erregendes Bild.Es wurden Lebensverhältnisfe der weiblichen arbei­tenden Clasfe aufgedeckt, die so entsetzlich sind, dass sie oft nicht mehr glaubwürdig erscheinen. In diesem Berichte kehrt die Thatsache immer wieder, dass die Ernährung der Arbeiterinnen im allgemeinen eine ungemein schlechte ist. Theilweise mag dieser Umstand gewiss der langen Arbeitszeit und der schlechten Bezahlung zuzuschreiben sein; aber sie verstehen es nicht, die paar Heller, die sie zur Be­schaffung der Lebensmittel verausgaben dürfen, so zu verwerten, dass sie bei möglichst guter Zubereitung der Speise eine ausgiebige und billige Ernährung erzielen. Sie haben eben von der Kochkunst nichts, ja gar nichts gelernt." *) **) Das Gleiche gilt von der Kenntnis der einfachsten Näh- und Flickarbeiten. Das in der Volksschule Erlernte ist häufig nicht das, was im täglichen Leben wirklich gebraucht wird; auch ist hiefür in einem zu jugendlichen Alter kein Verständnis für das vorhanden, dessen Mangel später nur zu bitter empfunden wird. Aus dieser Noth heraus ist die Verbindung der Kochschule mit einer Arbeits­schule elementarer Art entstanden, und sie wird auch festgehalten werden müssen, wenn dem Bedürfnis des Lebens dieser Classe der arbeitenden Bevölkerung Rechnung getragen werden soll.

Was für gemeinnützige Einrichtungen bestehen nun in Österreich, um diesem Elende einigermaßen zu steuern und den kolossalen Bedarf zu befriedigen? Nicht einmal zwei Dutzend, lediglich aus

*) Wien 1897. Erste Wiener Volksbuchhandlung tJg- Brand«. - Zehr beachtenswert sind ferner die Protokolle der Enquöte des k. k. arbeitsstatistischen Amtes über die Verhältnisse der Arbeiterinnen in der Kleider- und Wäsche- confection. (Erschienen 1899 in Wien bei A. Hölder.) Übrigens wie viele weibliche Existenzen sind da in eine Linie mit diesen Arbeiterinnen zu stellen! Unzählige Frauen," sagt W. Rieht,sind in einen Zustand versetzt, welcher voll­kommen dem des socialen Proletariats entspricht. Der Jammer dieser weiblichen Proletarier wird nicht in der Presse zur Schau getragen, sie machen keine Auf­läufe und bauen keine Barrikaden. Sie verhungern und verkommen ganz in der Stille. Gott allein sieht ihr verschwiegenes Dulden."

**)Mädchenerziehung und Mädchenversorgung" von Marie Kittner, 1897, Wien bei Seidel.