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sich um die wichtigsten Voraussetzungen sür die Entwickelung deS Menschen, um die Fundation seiner künftigen Existenz handelt, glaubt man ganz von einer Constatierung der Befähigung zur Übernahme der Pflege absehen zu können. Da kommtdas junge Ding" in die Stadt und geht in den Dienst; was soll das unerfahrene Mädchen auch anderes anfangen als das fortsetzen, was es schon zu Haufe gewohnt war Kinder tragen? Weil es selbst natürlich keinen Dunst davon hat, was es eigentlich mit dem jungen Erdenbürger beginnen soll, die junge Mutter aber auch nicht, so wird wenn's gut geht unter Anleitung der Groß­mutter mit dem Dasein des Sprösslings der Familie die reine Empirie getrieben. Die Sache wäre nun sehr heiter anzusehen, wenn sie nur nicht eine so ernste Seite Hütte, und die muss man schildern, um ihre Bedeutung zu erkennen.

Nach den Untersuchungen von Dr. Wolfs in Erfurt starben durchschnittlich in Deutschland in der Periode von 1848 1869 von je 100 Kindern im ersten Lebensalter: in den höheren Stünden 9, im Mittelstand 17, im Arbeiterstand 31 und von unehelichen Kindern 35. Überall stehen diese Ziffern mit der Ernährung und Pflege des Kindes im ersten Lebensalter, und zwar speciell mit dem Auswand für die geschulte Wartung, in einem auffallenden Zusammenhang, wie die im Taschenbuche sür die Krankenpflege von Geh. Medicinalrath Dr. L. Pfeiffer in Weimar veröffentlichten Tabellen ergeben.*) Von 120 Mil­lionen Kindern im Alter bis zu 15 Jahren sterben circa 40 Millionen, die Mehrzahl im frühesten Alter. Was liegt in diesen Ziffern für eine Mahnung an die öffentliche Fürsorge.**) Wie massenhaft brauchte man da qualificierte Kräfte! Der Satz:Eine gute Pflege des Säuglings gibt die beste Gewähr auch für die spätere Zeit; eine schlechte erzieht schwächliche Mütter und krüppelhafte Männer" steht aber leider im schreiendsten Widerspruch zu der Beachtung, die er bisher gefunden hat.

*) Taschenbuch für die Krankenpflege in der Familie, im Hospital, im Gemeinde- und Armendienst u. s. w., bearbeitet von hervorragenden Fachmännern und herausgegeben im Auftrage der Pflegerinnenanstalt in Weimar von Dr. L. Pfeiffer. Bei H. Böhlau in Weimar.

Man begegnet zwar hier derAnfchauung, dass es als ein wahres Glück zu betrachten sei, dass nicht auch noch diese Menschenmassen erhalten bleiben: was sollte da erst aus den Leuten werden? Dem gegenüber muss man sagen, dass der Staat als solcher an dieser Erhaltung ein natürliches Interesse hat: ferner kann man nicht übersehen, welches Heer elender, körperlich und geistig herabge- kommener Existenzen infolge höchst mangelhafter Einrichtungen sich durchs Leben schleppen müssen.