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Bericht über die Weltausstellung zu Wien im Jahre 1873 : Deutscher Text / herausgegeben durch die Küstenländische Ausstellungs-Commission in Triest. Redigirt von Friedrich Bömches
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Wien lag, so dass angestrebte mul seihst schon ungebahnte Ver­besserungen und Neuerungen noch nicht lebensfähig werden konnten; der Total-Eindruck der chemischen Industrie, Parisund Wien verglichen, war in der französischen Metropole mehr über­raschend, als er es auf der Wiener Weltausstellung gewesen ist. Wohl gab es Objecte genug, welche auch die Aufmerksamkeit des grossen Publicums zu fesseln im Stande waren; so die Alaun- Blöcke von Belgien, die Grünspan - Bäume von Frankreich und dessen herrliche Anilin-Farbenmassen, die prachtvolle Druse von Kalium - Dichromat aus Bussland und die wunderbar schönen Blutlaugen-Krvstalle in der österreichischen Abtheilung; doch das Auge darf sich nicht blenden lassen durch Massen-Exposition und durch Ausstellung von noch so schönen Krystall-Gruppeu, es sind ja beide bei hinreichender Opferwilligkeit der Aussteller leicht zu ermöglichen.

Das Ueberraschende chemischer Ausstellungen liegt anders­wo: es liegt in neuen billiger gewordenen Methoden der Dar­stellung; es liegt in der Verwirklichung von ideellen Processen, deren Ausführung bisher unmöglich erachtet war; es liegt in der praktischen Verwerthung theoretischer Synthese, um seltene und kostbare Naturproducte aus billigen Bohstolfen künstlich her- steilen zu können ; es liegt in der technischen Verwendung wissen­schaftlicher Forschungen; es liegt endlich in der weitesten Aus­nützung von Fabriks-Abfällen, die bisher schwierig oder gar nicht verwerthet Averden konnten.

Entschieden der schönste Theil der Ausstellung entfiel für das Deutsche Beich. Es waren hier freilich keine Massen, keine Stearin-Obelisken und Zündhölzchen-Gemälde ausgestellt, es waren vielmehr kleine, ganz bescheidene Vitrinen, aber es lag System in dieser Ausstellung. Die deutschen Fabrikanten chemischer Industrie hatten sich eine gute Zeit vor Beschickung der Aus­stellung mit den Gelehrten der deutschen chemischen Gesellschaft in Einvernehmen gebracht; und so waren Theorie und Praxis Hand in Hand gegangen, ein präcises Bild der chemischen deut­schen Industrie zu schäften. Die deutsehen Aussteller haben es auch nicht gescheut, ihren prächtigen Objecten die zugehörigen