was die ersten Luxemburger für Böhmen. Ein Privilegium Ludwigs des Baiern (i33o) hatte den Prager Bürgern Zollfreiheit im Handel mit dem deutschen Reiche gewährt. Die Könige Johann und Karl IV. beeilten sich, die erworbene Freiheit mehr und mehr zu erweitern. Dem Handel aber immer wieder neuen Nährstoff zuzuführen, war Karl IV. wie keiner vor ihm darauf bedacht, nicht nur die schon bestehenden Gewerbe zu organisiren und dadurch zu ver­vollkommnen, sondern auch neue, bisher völlig unbekannte Betriebe ins Land zu ziehen und daselbst einzubürgern. Nachweisbar erstanden unter seiner Herrschaft in Böhmen die Hand­werke der Zinngiesserei, der Färberei und der Papiererzeugung. Die Kunstgewerbe der Maler, der Goldarbeiter, der Steinschleifer und Gürtler wurden von ihm, ebenso wie die Waffenschmiede und Glaser, mit besonderen Vorrechten ausgestattet. Als deutscher Kaiser ertheilte Karl IV. (i368) den österreichischen Kaufleuten die Freiheit, den Weinhandel durch Mähren nach Böhmen und Polen ungehindert zu betreiben, wogegen es den Bewohnern jener Länder zu gestatten sei, in Oesterreich Getreide einzuführen. Schon früher (1351) hatten die Grafen Meinhard und Heinrich von Görz allen Kaufleuten der österreichischen Provinzen, als unter ihrem Schutze stehend, sicheres Geleite verheissen. Einen noch weitergehenden Schutz­brief verlieh Meinhard von Görz im Jahre 1369 den «ehrbaren Kaufleuten von Wien.» Sie verstanden es vortrefflich, diese und andere Gnaden sich in ausgiebiger Weise nutzbar zu machen.

Trotzdem ist anzunehmen, dass, wie an gewerblicher Thätigkeit Böhmen schon damals die eigentlich österreichischen Länder unstreitig überragte, dasselbe ihnen gar bald auch in Bezug auf Ausdehnung und Intensität des Handels den Rang abgelaufen hätte, wäre nicht ein Ereignis eingetreten, das jenes mächtig aufstrebende, hochentwickelte Land um viele Menschenalter in seiner Cultur zurückwarf. Die furchtbaren, langwierigen Hussitenkriege zer- störten die erste grosse, schöne Blüthe des Handels und der Gewerbe in Böhmen, und zwar so gründlich, dass beide für lange Zeit von aller Concurrenz sich völlig ausgeschlossen sahen.

Ein Ueberblick der gegenwärtigen Verhältnisse industrieller Production Oesterreichs bietet vor Allem eine auffällige, merkwürdige Thatsache. Der nackten statistischen Zahl nach weist unter sämmtlichen Königreichen und Ländern dieser Monarchie Böhmen allein weitaus die grösste Zahl selbstständiger gewerblicher Unternehmungen auf. Der dritte Theil aller industriellen Betriebsstätten Gesammt-Oesterreichs entfällt ziffermässig auf Böhmen, zunächst auf Nordböhmen. Unter ihnen, wohlgemerkt, erscheinen aber auch alle bedeu­tendsten und leistungsfähigsten Etablissements fast jeder Branche ohne Ausnahme. Für dieses hochbeachtenswerthe Factum suchen wir nicht vergebens nach der Erklärung. Sie dürfte zum Theil schon in dem Gesagten unschwer zu finden sein; weitere Aufklärungen werden folgen. Die Industriegeschichte Böhmens ist zugleich das gewichtigste, werthvollste Stück Geschichte österreichischer Industrie; Blatt für Blatt kommt sie auf jene zurück.

Die bleibende Vereinigung Böhmens mit Innerösterreich (1526) war, wie in jeder anderen Hinsicht, so auch in industrieller Richtung ausschlaggebend. Nichtsdestoweniger wäre es ver­fehlt, bei der Beurtheilung der Wechselwirkung der vereinigten Ländergebiete in dem frag­lichen Punkte allzuweit zu gehen; sie trat keineswegs sofort zu Tage. Jene Vereinigung blieb geraume Zeit eine mehr äusserliche; es fehlte vorerst das Band, das allein im Stande ist, wirthschaftliche Theile in ein organisches Ganzes zusammenzuschweissen: das ist der einheit-

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