des Gottesdienstes und, was für industrielle Bestrebungen von noch grösserer Bedeutung, die Freiheit der Arbeit. War den Protestanten seither bereits ausnahmsweise gestattet worden, «bei zünftigen Meistern und Fabriken in Arbeit zu treten,» so wurden sie nunmehr befähigt, ausnahmslos alle staatsbürgerlichen Rechte, mit Einschluss des Meisterrechtes und der Fabriks­privilegien, für sich in Anspruch zu nehmen.

Es bedarf keiner Auseinandersetzung, um die Tragweite dessen, sowie der zweiten grossen Reform, für die wirthschaftliche Entwicklung der Monarchie klarzulegen. Letztere leitete Joseph selbst mit den Worten ein: er «habe in Erwägung gezogen, dass die Aufhebung der Leibeigenschaft und die Einführung einer gemässigten Unterthänigkeit auf die Verbesserung der Landescultur und Industrie den nützlichsten Einfluss habe, auch dass Vernunft und Menschen­liebe für diese Aenderung das Wort reden. ...» Joseph II. wusste, dass Industrie und Land- wirthschaft nur in einem Volke gedeihen können, das sich an Leib und Seele mündig fühlen darf. Wie die Verkehrsschranken im Innern des Reiches, waren die geistigen Barrieren nach aussen hinweggeräumt.

Allmälig lernte er nun auch an die Möglichkeit einer Industrie in Oesterreich, trotz ungünstiger geographischer Lage des Reiches, glauben, einer Industrie wie in Preussen, ja in Frankreich und England. Hatte er sich vor Kurzem in übergrosser Bescheidenheit noch als «in Landeseinrichtungssachen rohen, unerfahrenen und allein mit etwas gutem Willen begabten Recruten» betrachtet, so fühlte er doch bald in sich die Kraft und die Macht, dem Beispiele derer zu folgen, die jene Staaten dazu erhoben hatten, was sie für Industrie und Handel waren, eines Friedrich II., eines Colbert, wie einer Elisabeth.

Ueber dem Ganzen vergass Joseph nicht das Einzelne. Zum grossen Theil auf seine unmittelbare Anregung mehrten sich in den meisten Industrieländern der Monarchie die Fa- briken sozusagen von Tag zu Tag; am meisten wieder im nördlichen Böhmen, im alten Herzogthum Friedland.

Als Graf Joseph M. Kinsky im Jahre 1780 starb, übernahm Graf Heinrich Franz Rotten­hann seine Rolle. Er selbst errichtete in Rothenhaus eine umfängliche «Cotton-, Mousse- lin-, Barchent- und Piquefabrik», in Kalich einen Eisenhammer und das Eisenwerk «Gabriela­hütte», endlich auf seiner Herrschaft Gemnischt eine Baumwollzeugfabrik. Ebenfalls in Kalich introducirte Forstmeister Joseph Hein (1784) eine Drechslerwaarenfabrik zur Her­stellung von Kinderspielwaaren, deren Herstellung ein neuer Erwerbszweig der Erzgebirgs­bewohner wurde.

Von Kaiser Joseph persönlich ermuntert, erbaute gleichzeitig Joseph Schöffel in Rei­chenau bei Gablonz eine Fabrik für Papiermacheartikel, deren Erzeugung bald die ganze dortige Gegend beschäftigte. Von dort kam dieselbe Industrie nach Eger, Prag und (durch Johann Gaiger) nach Sandau bei Marienbad, wo sie besonders florirte. In den Jahren 17821786 entstanden nicht weniger als zehn Fabriken der Baumwollbranche in Prag. Von der Firma Leitenberger ist gesprochen worden. In Rochlitz und Grulich wurde die Schleier-und Battistweberei eingeführt, in Eger und Rossbach die Mousselinfabrication. In Christians­thal im Isergebirge, in Adolf und Eleonorenhain, Kaltenbach, Franzenthal und Ernstbrunn im Böhmerwalde entstanden neue Glashütten, zumeist den Firmen Johann Leo­pold Riedl und Johann M,eyr gehörig.

In Starkenbach-Hrabaco w legte damals Graf Ernst Guido Har rach eine Leinen- und Battistweberei, in Tupadl Fürst Johann Adam Auersperg eine Baumwollzeugfabrik nebst Färberei und Druckerei an. Männer wie Zacharias Jarschel und Joseph Stolle in

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