Warnsdorf trugen, wieder vom Kaiser selbst durch reichlich bezahlte Bestellungen angeeifert, durch ihre vorzüglichen Leinen- und Baumwollgewebe («gezogene Tischzeuge») wesentlich dazu bei, das genannte Dorf zu einem hervorragenden Industrialorte zu erheben. Rumburg, Schluckenau, Nixdorf, Schönlinde und Georgswalde verstanden es, gleichen Schritt zu halten.

Um jene Zeit erfuhr das Eisenwerk in Horowitz durch den Grafen Joseph Wrbna eine vollständige Umgestaltung, so dass es schon 1790 zu den grössten und leistungsfähigsten Werken seiner Art gehörte. Eben damals wurde in Prag, woselbst Prokop Gin die die erste Goldwaarenfabrik anlegte, durch die Franzosen Lun et und Boulogne die Handschuhfabri- cation, in Ehrenberg bei Rumburg die Sparteriewaaren-, in Graslitz im Erzgebirge die Musikinstrumenten-Erzeugung eingebürgert.

Trotz rapider Ausdehnung der Baumwoll-Industrie stand doch die Leinen-Manufactur Böhmens keinen Augenblick still, sondern nahm sie vielmehr in denkbar erfreulichster Weise zu. Dasselbe gilt von dem Wollengewebe. Die Zahl der Baumwollweber in Böhmen stieg in den Jahren 17851788 von 432 auf 3093, die der Schafwollweber dagegen von 16.698 auf 24.879, die der Leinen weber aber von 54.894 auf 71.979. In demselben kurzen Zeiträume vermehrte sich die Zahl der Baum Wollspinner von 9676 auf 28.747, die der Schafwollspinner jedoch von 30.127 auf 51.087, endlich die der Flachsgarn­spinner sogar von 180.066 auf 234.008.

Annähernd gleiche Verhältniszahlen hatten die Seiden-Industrie (497:3093), die Papiererzeugung (648:917), die Fabrication von Leder (2081:3266), Glas (3607:3898) und Metall (4880:5827) aufzuweisen. Man zählte 1788 in Böhmen, ohne die Spinner, 121.799 «Fabrikanten», deren Jahresverdienst mit 10,930.770 fl. beziffert wurde, während der bezahlte Arbeitslohn, gering gerechnet, 16,818.625 A- betrug. 1 )

Daraus wird ersichtlich, wie sehr gerade Böhmen die Josephinische Allgemeine Zoll­ordnung vom 27. August 1784 mit ihrem Einfuhrverbote insbesondere aller jener Waaren, «welche genugsam in den k. k. Erblanden fabricirt werden und sonst leicht entbehrlich sind», zugute kam. Das konnte unter den gegebenen Verhältnissen nur anspornen, das hiemit nach berühmten Mustern älterer und neuerer Zeit inaugurirte Prohibitivsystem weiter zu ver­folgen und durch die Zollordnung vom 2. Jänner 1788 zu stabilisiren. Sie hatte bis auf unsere Tage die Grundlage der österreichischen Zollverfassung zu bilden.

Auch die übrigen Kronländer blieben selbstverständlich unter Kaiser Joseph II. nicht zurück. In Mähren war es besonders Brünn, das sich hervorthat. Die dort bereits vorhandenen Fabriksanlagen wurden rasch hinter einander ansehnlich vermehrt, so namentlich durch die Firmen Mundi (1780), Hopf und Bräunlich, Ostermann (1786) und Biegmann (1791). Von 23 Feintuchfabriken, welche Mähren am Ausgange des 18. Jahrhunderts beschäftigte, ent­fielen 14 auf Brünn.

Daselbst errichtete Seitter (1785) die erste Fezfabrik Oesterreichs, Schulz die erste Harrasfabrik. In derselben Zeit eröffnete das Aerar eine Tabakfabrik in Göding, während Flick in Althart eine Mousselin-, Klapproth eine Manchesterfabrik in Schönberg be­gründete, welch letztere Stadt alsbald der Hauptsitz der mährischen Leinen-Fabrication werden sollte, während sich Sternberg allgemach zur ersten Weberstadt des Landes für Leinen-

J ) Joseph Schreyer, Commerz, Fabriken und Manufacturen des Königreiches Böhmen (Prag und Leipzig 1790).

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