wirkte gleichzeitig durch sein Beispiel zu Gunsten der heimischen Arbeit. Bei seiner im Jahre 1673 in Graz gefeierten Verehelichung hob der Kaiser gegenüber einem Minister ausdrück­lich hervor, «dass er nicht einen Faden am Leibe habe, der nicht in seinen Erblanden gearbeitet wäre». Unter der Regierung des Kaisers Leopold begegnen wir einer Wiener Bank schon im Jahre 1703 (in England 1694, in Berlin 1765). Kaiser Karl VI. rief fremde Werk­führer und Arbeiter herbei und gründete einen «Commercienfond» zur Unterstützung: der in- ländischen Gewerbe. Während der im Westen des Deutschen Reiches übliche Name für Kunststrassen, «Chausseen», noch heute bezeugt, dass diese Anlagen in grösserem Stile erst von Napoleon angelegt wurden, baute Karl VI. schon «Kaiserstrassen». Er war es, welcher den Semmering und Loibl fahrbar machte und die Kunststrassen WienFrag, WienLinz, WienTriest in Angriff nahm und theilweise fertigstellte. Von seiner Regierung datiren die ersten besseren Hafenanlagen in Triest, Fiume, Buccari und Porto-Re. Die im Jahre 1717 vom Kaiser in Ositende mit einem Capitale von 6 Millionen Gulden gegründete ostindische Handelsgesellschaft blühte glänzend empor; sie errichtete mit gutem Erfolge Niederlassungen am Ganges und an der Küste von Koromandel und hatte schon fünfzehn eigene Schiffe in See, als die Eifersucht der Engländer und Holländer, mit denen sich Frankreich verband, durch Drohungen und Staatsactionen aller Art dem kriegsbedrängten Kaiser im Jahre 1727 die Auflösung der Gesellschaft abpresste. Dagegen war es kurz vorher gelungen, im Frieden von Passarowitz (im Jahre 1718) die Türkei unter äusserst günstigen Bedingungen für den österreichischen Handel zu öffnen. Kaiserin Maria Theresia, «die herrliche Hausmutter mit der Kaiserkrone auf dem Haupte», war für die österreichische Arbeit in allen ihren Formen thätig. Ihr ist einer der schönsten Fortschritte der Neuzeit zu verdanken: die Gründung von Lehrwerkstätten, also von Schulen, die nicht blos das Wissen, sondern auch das Können lehrten. Sie berief Färber aus Frankreich, Glasarbeiter aus Italien, Appreteure und Bleicher aus der Schweiz, Feinweber aus Mailand. Die Förderung der technischen Bildung lag ihr allezeit am Herzen. In Triest errichtete sie eine nautische, in Schemnitz eine montanistische Hochschule. Im Jahre 1752, also kurz vor Ausbruch des siebenjährigen Krieges, versuchte Maria Theresia der Volkswirthschaftspflege eine ganz neue, systematische Gestalt zu geben. Sie errichtete in den einzelnen Landestheilen Handelskammern und wies ihnen (im Gegensätze zu heute) eine kräftige Executive zu: die Kammern («Commercien-Consesse») gipfelten in einem «Commercien- rathe» in Wien, welchem die Berechtigung zustand, industrielle Unternehmungen mit unver­zinslichen Darlehen zu unterstützen. Nach Beendigung des Krieges war dieser Casse über eine Million Gulden zur Verfügung gestellt eine Summe, die für die damalige Zeit und das damalige Budget gewiss zehn Millionen von heute entsprechen mag. Im Jahre 1771 wird in Wien die erste Börse mit beeideten Sensalen eröffnet. Die Politik der grossen Kaiserin war schutzzöllnerisch, und bei ihrem Tode liess sie, trotz der ihr aufgezwungenen, jedoch ehren­voll geführten langen Kriege, das Reich wohlhabend und mit consolidirten Finanzen zurück.

Dass Kaiser Joseph II. die Bestrebungen Maria Theresias in schärferer Ausprägung fort­setzte, ist bekannt genug. Durch Befreiung des Bauernstandes bahnte -er den Weg zu einem Massenverbrauche von Gewerbswaaren. Den grossen Schritt, den in Deutschland erst der Zoll­verein gethan, nämlich die Beseitigung der inneren (provinzialen) Zölle und die Errichtung einer gemeinsamen Aussenzollinie, hat für Oesterreich schon Joseph gemacht. Eine Menge einheimi­scher Arbeit ward dadurch geweckt. «Wo sonst vier Stühle giengen, da gehen jetzt zwanzig», so lautet ein zeitgenössisches Urtheil. In Wien waren bald über 3 ooo Seidenwebstiihle thätig, in Böhmen nahmen die Werkstätten für Tuch, Leinwand und Glas einen starken Aufschwung.

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