sonen und Güter. Das Brot der Maschine, die Kohle, ward allgemein erhältlich, und so konnte die Dampfkraft an der Seite der Menschenkraft ihre machtvolle Thätigkeit beginnen. Auf den trefflichen Boden Böhmens und Mährens gestützt, entfaltete sich die Zucker-Industrie und gab der Landwirtschaft einen neuen Antrieb. Die Malz- und Bier-Production wuchs auf. Zumeist an der Zucker-Industrie und den Eisenbahnen rankte sich der Maschinenbau empor. Die grosse Industrie der Gespinnste und Gewebe änderte sich; wo es möglich war, schob sich die Haus­industrie in starke, mit Dampfkraft arbeitende Betriebsstätten zusammen. Das geschah zumal in Nordböhmen, in Mähren, Schlesien, in Wien und Vorarlberg.

Der Eisenbahnbau begünstigte vor Allem die Eisen- und Maschinen-Industrie. Die Eisen- und Stahl-Industrie der Alpen blieb lange conservativ; Holzkohleneisen von vorzüglicher Güte, aber etwas theuer, war ihre Stärke. Die Eisenbahnen jedoch, wie die Neuzeit überhaupt, ver­langten grosse Mengen wohlfeilen Eisens; es ward vielfach aus dem Auslande bezogen. Erst als durch das Thomasverfahren die lange für minderwerthig gehaltenen böhmischen Erze voll­kommen brauchbar wurden, als die Stahl-Industrie durch das Bessemer- und Martinverfahren einen neuen Aufschwung nahm und die Gewinnung und Verarbeitung des Eisens einerseits in den Kohlenbecken von Kladno, Ostrau und Teplitz, andererseits am Erzberge und an der Seeküste von Triest festen Fuss fasste erst dann gewann dieser wichtige Industriezweig die volle Stärke; er verwerthet jetzt seine vorzügliche Qualität, trägt einen gut entwickelten Maschinen- und Wagenbau und ist bestrebt, auch das umfangreiche Gebiet der Kleineisen- Industrie wieder besser zu pflegen.

Das durch den Uebergang der Schmelzöfen zu Coaks und Kohle freigewordene Holz wurde von der Papier-Industrie aufgenommen, die sich jetzt weit überwiegend nicht mehr auf Hadern, sondern auf geschliffenes und chemisch zubereitetes Fichtenholz aufbaut, wmdurch eine unerschwingliche Vertheuerung des Papiers verhütet wurde. Neben die altberühmte Glas- Fabrication ist die Thon- und Porzellan-Industrie als stark exportirender Industriezweig getreten. Die grosse chemische Industrie, Leder und Lederwaaren, Kurzwaaren, Holzwaaren, Metallwaaren entfalteten sich. Daneben das weite Gebiet der Kunstindustrie! Kein einziges Gewerbe, das nicht eine Erweiterung, Umgestaltung, oft eine völlige Umwälzung in den verflossenen 50 Jahren erfahren hätte!

Der Eintritt der mechanischen Kraft in den Betrieb, welcher das erste Element der Gross-Industrie bildet, musste das Schaffen, die Arbeit, unendlich viel wirksamer machen.

Die Zahl der im Jahre 1848 in Oesterreich vorhandenen Dampfmaschinen lässt sich (ohne Locomotiven) auf etwa 400500 mit 1500 Pferdekräften anschlagen. Im Jahre 1898 masf die Zahl der mechanischen Pferdekräfte sich auf rund 3 Millionen belaufen. Nach Be- rechnungen von fachmännischer Seite entspricht diese mechanische Kraft von 3 Millionen Pferdekräften etwa der Kraft einer Bevölkerung von 44 Millionen Menschen.

Demnach hat die Bevölkerung Oesterreichs, die jetzt 25 Millionen beträgt, neben sich eine Bevölkerung von 44 Millionen mechanischer eiserner Sclaven als Hilfskräfte, unter denen weder Kinder, noch Frauen, noch Greise, noch Kranke, noch Müssiggänger sind, Sclaven, die sich nur von Kohle nähren und, bei einer durchschnittlichen Lebensdauer der Dampfmaschine von 25 Jahren, für Nahrung, Wartung und Amortisation nur etwa 4 fl. per Mann jährlich kosten.

Hier ist also eine Hauptquelle des Wohlstandes der Neuzeit klargelegt! In demselben Maasse, als in den einzelnen Gewerben die Ueberwälzung der schwersten Arbeit von der Menschenkraft auf die mechanische Kraft erfolgt, wird die Arbeit fruchtbarer. Der entsetzliche Kampf, den die Hausweber der Sudetenländer, ja sogar noch Spinner, in den Jahrzehnten nach

53