Ansicht die ist, die Besserung der Lage der Arbeiter habe begonnen zu einer Zeit, wo es noch keine Agitatoren gab, und sie werde, genau wie in England und den Vereinigten Staaten, weiter zunehmen mit der Consolidirung der Industrie, mit der Zunahme der Capitalien und der dadurch bedingten zahlreicheren Verwendung von Arbeitern, mit der Zunahme der Bildung und Leistungsfähigkeit der Unternehmer wie der Arbeiter, endlich mit der Besserung der Pro- ductionsbedingungen des Inlandes, wodurch der Druck, den die ausländischen Preise auf das Inland ausüben, vermindert und erleichtert wird. Unerschütterlich sichergestellt ist jedenfalls der Satz: Der Antheil des Capitals am Gewinne fällt, der Antheil der Arbeit steigt. Das ist die höchste und erfreulichste Signatur der Zeit.

Der Umstand, dass die Industrie eines Staates (darin abweichend von der Landwirtschaft) ein ungemessenes Feld der Ausdehnung vor sich hat, führte zu einer scharfen (wenn auch teilweise durch Cartelle geminderten) inneren Concurrenz, und das Ergebnis war das Fallen aller Fabricatenpreise. Auf dem Weltmärkte fielen von 1848 bis 1898 Eisen um 20 Procent, Baumwollgarn und Baumwollgewebe um 3o Procent; da erst nach Entstehung der Eisen­bahnen die Welthandelspreise (selbstverständlich mit Hinzurechnung des Zolles) für Oesterreich- Ungarn maassgebend wurden, so fand bei uns ein weit stärkeres Herabgehen statt, so dass für obgenannte Hauptartikel ein Preisfall von etwa 50 Procent anzunehmen ist. Dadurch ist die Lebenshaltung für alle auf festen Bezügen stehende Classen wohlfeiler geworden. Bei manchen Fabricaten beträgt die Verbilligung noch weit mehr. So wird Papier, das um 1875 noch 60 Gulden der Metercentner kostete, im Jahre 1898 mit 25 3o Gulden verkauft, Holz­stoff kostete einst 12 und heute 5 Gulden, Zellstoff einst 28 und heute 11 Gulden.

In welcher Weise die rastlose Thätigkeit von Chemie und Technik sich auf neue Artikel stützt und ununterbrochen an deren Verwohlfeilung und zugleich an Verminderung des Ge­winnes arbeitet, ersieht man klar aus dem Ergebnisse der Aluminium-Industrie. Im Jahre 1884 kostete 1 kg Aluminium noch 120 Gulden Gold und im Jahre 1898 nur mehr 0'98 Gulden Gold. Also in vierzehn Jahren eine Preisminderung um weit mehr als das Hundertfache!

Zur Herstellung von 1 kg Zucker brauchte man in der ersten Zeit der Entstehung dieser Industrie 18 kg Rüben, im Jahre 1898 nur mehr 8 kg. Der Preis für 1 q Zucker fiel in der gleichen Zeit von 96 Gulden auf 36 Gulden. Die aus diesen Fortschritten der Industrie ent­sprungene Ersparung für den Verbraucher wäre noch weit beträchtlicher, wenn nicht ein für den Staat höchst wichtiges Moment, das Steuerverhältnis, dazwischenträte. In jenem älteren Preise von 96 Gulden war keine Steuer enthalten, im Gegentheile leistete damals der Staat für die aufkeimende Zucker-Industrie manche Unterstützung, und zwar, wie die Folge bewies, mit vollem Rechte; im Jahre 1898 aber lagen in dem Zuckerpreise von 36 Gulden mindestens i3 Gulden Steuer. Ohne diese Steuer würde der Zuckerpreis auf 22 Gulden gefallen sein, also auf weniger als ein Viertel des ursprünglichen Preises für den Verbraucher. Der Indu­strielle ist also der Steuereinnehmer für den Staat geworden und liefert ihm überdies mehr als 33 Procent des Preises ab. Während also jetzt der Zucker-Fabrikant nur noch in Ausnahms­fällen mehr als den landesüblichen Zins verdienen mag, zieht den Hauptvortheil von dieser Industrie der Fiscus.

Dagegen muss zugestanden werden, dass die Industrie weit empfindlicher ist und weit mehr vom Staate fordern muss als das alte Gewerbe und die Landwirthschaft. Während ein tüchtiger Landwirth zur Noth auf eigene Faust lebt und gedeiht, ist der Industrielle mit tau­send Fäden an den Staat und seine Politik wie seine Einrichtungen gekettet. Daher sehen wir die Industrie jener Länder am raschesten in die Höhe wachsen, wo der Staat wächst, und

Die Gross-Industrie. I. ®

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