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umgekehrt. Daher kann es auch Vorkommen, dass eine einzige vergriffene Maassregel für die Industrie und mit ihr für die Gesammtheit die schwerste Schädigung; mit sich führt.

Wir haben einen solchen Fall erlebt bei dem durch starke englische Einflüsse herbei­geführten Abschlüsse von Präliminarien über einen Handelsvertrag mit England aus dem Jahre 1865. Damals schwebte die österreichische Industrie in einer grösseren Gefahr als jemals innerhalb der letzten fünfzig Jahre, und es bedurfte starker Anstrengungen, bis die Verstopfung dieser Lücke, durch welche das Verderben eindringen konnte, gelungen ist.

Eng mit dem Staate verbunden, bedarf die neuzeitliche Industrie des neuzeitlichen Staates. Niemals hätte die österreichische Industrie ihre heutige Bedeutung erreicht ohne die völlige Umgestaltung der Staatsverwaltung, die sich unter der Regierung Sr. Majestät vollzogen hat.

Besonders hervorzuheben sind hier die wahrhaft schöpferischen Perioden von 1850 und 1867.

Die Organisation der Verwaltung, die Errichtung des Ministeriums für Handel und Volks- wirthschaft und der Handels- und Gewerbekammern, die Einführung des gesammt-deutschen Handelsgesetzbuches, das neue Volksschulgesetz gehören der ersten Periode an, während die Ordnung der Finanzen, die Trennung der Justiz von der Verwaltung, die Verbesserung und Erweiterung der Schulgesetze, die Gründung von Lehrwerkstätten und gewerblichen Fach­schulen mehr in die zweite Periode fallen. Kaiser Franz Joseph gründete zwei Universi­täten, drei Lehrmuseen und zahllose Schulen. Nebenher gieng die Ergänzung des Eisenbahn- netzes, die Errichtung von Sparcassen, Creditanstalten und Banken, der Bau des Triester Hafens, die Förderung der Schiffahrtsgesellschaften, der Abschluss von Zoll- und Handels­verträgen. Später traten die socialen Gesetze hinzu. Die Sorge für den Arbeiter äusserte sich, abgesehen von der Gewerbe-Inspection, durch die systematische und auf dem Gebiete der Industrie allgemeine Versicherung gegen Krankheit und Unfall, nachdem schon vorher das Coalitionsgesetz den Arbeitern das Recht gegeben hatte, die Durchsetzung ihrer Ansprüche auf gesetzlichem Wege zu versuchen. Alle diese Ergänzungen und Neuschöpfungen, welche die Erhaltung eines starken Bestandes von Eunctionären nöthig machten, erheischen allerdings, Avie das Heer, sehr bedeutende Kosten, doch wurde ihre Aufbringung durch die zuweilen schmerzlich unterbrochene, doch im Ganzen nie stillstehende Entwicklung der Industrie er­möglicht. Und so hat das Zusammenwirken von Regierung und Volk unter dem milden Scepter Sr. Majestät in einem Zeiträume von fünfzig Jahren eine unermessliche Culturarbeit geleistet, die selten richtig gewürdigt wird, die aber um so bewundernswerther ist, wenn man die spröden inneren Verhältnisse und die häufige Ungunst ausAvärtiger Ereignisse in Rech­nung zieht.

er kurze Rückblick auf die ältere Wirthschaftsgeschichte, den wir im ersten Theile dieser Darstellung gaben, zeigt als durchgehenden rothen Faden die freundliche und umsichtige Sorge der Regierenden für das Wirthschaftsleben des Volkes. Diese Sorge war ein kostbares Erbgut des habsburgischen Herrscherhauses. In der klaren Erkennt­nis, wie schwer es sei, auf nationalem und politischem Gebiete es Allen recht zu machen, suchten die Regenten einen Vereinigungspunkt in der Pflege der materiellen Interessen.

In diese Richtung drängten später, als die beständigen Kriege mit Türken und Fran­zosen ungeheure Summen verschlangen, auch die Finanzen. In Oesterreich war es, wo ein General das Wort fand, dass zum Kriegführen drei Dinge gehören: Geld, Geld und nochmals

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