DIE STELLUNG OESTERREICH-UNGARNS AM WELTMÄRKTE.

ie bisher gemachte Betrachtung erstreckte sich auf unseren Aussenhandel an und für sich, ohne Beziehung auf den Aussenhandel der übrigen Länder. Die übrigen Staaten der Erde entfalten jedoch eine parallele Thätigkeit, welche natürlich auf die Richtung und den Umfang unseres Aussenhandels von rückwirkendem Einflüsse ist. Gleichviel, ob wir als Käufer ausländischer oder als Verkäufer einheimischer Waare unsere Grenzen verlassen, in , beiden Fällen stossen wir auf die Handeltreibenden anderer Nationen als Mitwerber. Suchen wir Kaffee zum gewohnten Genüsse, oder brauchen wir Baumwolle, um daraus unsere Kleider zu verfertigen, wir begegnen in den fernen Märkten allen Ländern Europas; und wir müssen die Meistbietenden oder die Bevorzugten sein, wollen wir unsere Bedürfnisse befriedigen und wollen wir nicht aus zweiter, aus theurer Zwischenhand unseren Bedarf decken. Umgekehrt: Suchen wir für böhmischen Zucker, steirisches Eisen oder Wiener Kurzwaaren Absatz, dann sehen wir Deutschland, England und Frankreich an unserer Seite, und wir müssen den niedrigsten Preis stellen, wollen wir unseren Ueberschuss an den Mann bringen. Es ist dies ein friedlicher Wettbewerb der Völker, aber ein harter Kampf, oft ein Kampf ums Dasein. In seinem Dienste steht ein Heer von tüchtigen Soldaten. Millionen geschickter Arbeiter, findige Ingenieure, scharf denkende Erfinder, unentbehrliche Verwaltungsbeamte, leitende Directoren und Industrielle, regsame Kaufleute, kluge Reisende arbeiten mit vereinten Kräften, um den industriellen Producten Absatz zu verschaffen. Oft reicht ihre Thätigkeit nicht aus, und der Staatsmann und Diplomat müssen unterstützend eingreifen, müssen die ganze Wucht des Staatsansehens in die Wagschale werfen, um dieser Summe von gethaner Arbeit den erhofften Erfolg zu sichern. Und die Arbeit dieser grossen industriellen Armee drängt sich in eine einzige Ziffer, den Waarenpreis zusammen. Jene Industrie wird bei gleicher Güte des Er­zeugnisses Siegerin bleiben, welche die geringsten Gestehungskosten hat.)

Besehen wir uns diesen internationalen Wettkampf, bei dem weniger die absoluten Beträge, als vielmehr die Verhältnisszahlen die Stärke und Schwäche eines Landes ausdrücken, etwas näher.

Nach v. Juraschek betrug (1892) der Umsatz im Welthandel rund 35 Milliarden Goldgulden, wovon auf die Ausfuhr etwa 16, auf die Einfuhr 19 Milliarden entfallen. 2 ) Nach einer Arbeit, die für das Jahr 1892 das erste Mal versucht wurde, 3 ) haben vierzig der hervor­ragendsten Staaten 4 ) Waaren im Werthe von 14.5 Milliarden Goldgulden auf den Weltmarkt geworfen und dafür Güter im Werthe von. 6 Milliarden 5 ) bezogen. Europa mit etwa 12 Milliarden dem 3 / 4 Theile vom Ganzen steht im Mittelpunkte des Welthandels; zu ihm streben die Schätze der Natur aus allen anderen Welttheilen, und von ihm strömen die Fabrikate nach den entferntesten Welttheilen ab. Und das Herz von Europa ist wieder Eng­land, das allein für 3 l / 2 Milliarden Goldgulden Waaren kauft und damit mehr als den fünften Theil des Weltverkehres an sich gekettet hat.

p Dr. Alexander Peez: «Zur neuesten Handelspolitik», Absch. IV, Wien 1895.

2 ) Hier sei bemerkt, dass eine Darstellung des Welthandels nicht die in Verkehr gesetzte Waarenmenge zur Grundlage nehmen kann. Das ist für einzelne Artikel thunlich, wie für Getreide, Kohle, Baumwolle u. s. w.,

wo die Umrechnung auf ein Einheitsgewicht, die Tonne, möglich, oder wie bei Vieh, wo eine Summirung der Stück­zahl ohneweiters durchführbar ist. Nicht so bei den mannigfachen Artikeln, die in den verschiedenen Handels­

statistiken bald nach Gewicht, bald nach Raummass, bald nach Stück ausgewiesen werden. Für den Handel ist

ausschliesslich der Preis massgebend, für die Handelsbilanz daher nur der Handelswerth brauchbar. Es ist ein grosser Unterschied, ob ein Staat eine Million Metercentner Getreide, oder ob er eine Million Metercentner Kurz-