Verkehr hindernde Riesenwall der Alpen, der damit verbundene Mangel an Canälen nach der See, das Fehlen von Colonien, die politischen Verhältnisse, darunter der Mangfel an Einheit in staatsrechtlicher und nationaler Hinsicht, alle diese natürlichen Momente wiegen schwer und können durch menschliche Thätigkeit nicht oder nur mit unverhältnismässigen Opfern beseitigt, im Allgemeinen aber nur wenig geändert werden. Dadurch hat unsere volkswirthschaftliche Entwicklung sich mehr nach Innen vollzogen und eine angesichts der hochgethürmten Hindernisse fast berechtigte Resignation hat den Blick in das Weite getrübt, die Lust an der Ferne verleidet.

Die Frage ist nun : Weiche Entwicklung dürfte unser Aussenhandel in Zukunft nehmen ? So viel steht fest, dass diese Entwicklung sich nur nach der industriellen Seite hin voll­ziehen kann. Denn die Ergiebigkeit des alten, seit Jahrhunderten ausgebeuteten Bodens kann durch intensivere Bewirthschaftung zwar erheblich, aber doch nur innerhalb sehr enger Grenzen gesteigert werden. Auch muss mit der Zunahme der Bevölkerung der heute noch verfügbare Ueberschuss in Brotfrüchten rasch abnehmen, eine Entwicklung, die, wie früher gezeigt wurde, in den Exportziffern der letzten Jahrzehnte seine Bestätigung findet, eine Ent­wicklung, die auch England und nach ihm das Deutsche Reich genommen hat. Die Ernährung des Volkszuwachses kann daher nur durch die Industrie geschehen, und zwar nur in der Art, dass die inländische Arbeiterschaft Fabrikate für den Export erzeugt, um dafür die zur Er­nährung unserer Bevölkerung noch mangelnden Nahrungsmittel einzutauschen.

Welche Aussichten eröffnen sich aber für eine solche Industriepolitik der Zukunft? Die Frage ist gleichbedeutend mit der Frage nach der Grösse des Consums in den einzelnen Ländern, wenn man von Productionsbedingungen und allen anderen Nebenumständen absieht. Für jede Industrie ist der inländische Markt, namentlich in den ersten Stadien der Entwick­lung, der allerwichtigste. Erst mit ihrem Wachsthum stellt sich ein Bedarf nach Absatz im Auslande ein. Dass wir hierin noch nicht weit genug sind, dafür dienen folgende Verhältnis­zahlen, die einen Massstab für die Dichte der Industrie in den einzelnen Ländern geben. Es betrug der Export in Fabrikaten per Kopf der Bevölkerung:

Schweiz ....

73.3

Goldgulden

Niederlande .

70.4

»

Grossbritannien .

48.9

»

Belgien.

46.7

»

Deutsches Reich .

23.3

»

Frankreich

2 2,2

»

Vereinigte Staaten .

7-0

»

Oesterreich-Ungarn .

6.8

»

Darnach ist die kleine Schweiz das industriell entwickeltste Land und ein Beispiel dafür, dass auf sehr kleinem Gebiete sich eine grosse Industrie zusammendrängen lässt.

Und trotzdem die alpine Schweiz keine Kohlen- und Erzlager und keine Seeküsten hat, ist seine Industrie doch zehnmal entwickelter, zehnmal dichter als die österreichisch­ungarische. Freilich ist dieser Umstand den industriell passiven Gebietstheilen der Monarchie, wie Ungarn, Galizien und den südlichen Alpenländern zuzuschreiben. Die Rechnung für unsere industriell entwickeltste Provinz, für Böhmen, gemacht, dürfte der Schweiz gleich­kommen, wenn sie nicht übertreffen. Diese niedrige Kopfziffer, 6. 8 Goldgulden, hat namentlich

p Eine gewiss zu hohe Ziffer, da Theile des Durchfuhrverkehres darin enthalten sein dürften.

Die Gross-Industrie. I.

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