Entlassung, dann in jenem des Aufhörens des Gewerbebetriebes freudigst begrüsst zu werden. Namentlich die das Kind und die jugendlichen Personen schützenden Bestimmungen verpflichteten den Menschenfreund zu Dank und Hessen ihn der ferneren Entwicklung des Grossbetriebes mit verringerter Sorge entgegensehen.

War aber all diesen gut gemeinten, in ihrer Wirkung der Industrie selbst unzweifelhaft zugute kommenden Bestimmungen der praktische Erfolg gesichert?

Leider kann diese für die Wirksamkeit, daher auch für den inhaltlichen Werth eines Gesetzes massgebende Frage nicht bejaht werden.

Was sollte die dem Arbeiter zuerkannte Freiheit der Mitwirkung bei der Regelung des Arbeitsverhältnisses angesichts seiner ihn fast durchgängig der Freiheit der Entschliessung beraubenden wirthschaftlichen Stellung? Die alleinige rechtliche Gleichstellung des Arbeit gebenden Fabriksherrn und des Arbeit suchenden Fabriksarbeiters in dem folgenschweren Augenblicke des Abschlusses des ArbeitsVertrages muss wohl, wenn der wirtschaftlich über­legene Theil sich Erwägungen der Billigkeit unzugänglich zeigt und nicht der Mangel an Arbeitskräften eine Schutzwehre schafft, mit unvermeidlicher Nothwendigkeit bedenkliche Lagen für den gesellschaftlichen Frieden erzeugen. Wer könnte bestreiten, dass, zumal wenn dem wirtschaftlich schwach Gestellten die Rechtsfindung erschwert ist, schon das Bewusst­sein der Schutzlosigkeit Verstimmung weckt, dem Getroffenen die Lebensfreude raubt und in weniger gut gearteten Gemütern Hass und Groll entstehen macht?

Was die so lobenswerten, wenigstens den Ansatz von Arbeiterschutz-Bestimmungen bergenden Anordnungen betrifft, war ihnen ein realer Werth wohl nur unter der Voraus­setzung zuzuerkennen, dass für ihre Durchführung in zureichender Weise vorgesorgt erschien.

Da es aber an einem derartigen, für die Ueberwachung der Befolgung dieser Bestim­mungen geeigneten Organe fehlte, trugen dieselben mehr den Charakter wohlgemeinter Rathschläge.)

Thatsächlich blieben sie, insoweit sie nicht von verständigen und wohlwollenden Indu­striellen aus eigenem Entschlüsse befolgt wurden, unausgeführt und erfuhren daher die bemerkten, an vielen Punkten zu verzeichnenden Uebelstände, wenigstens von Gesetzeswegen, eine Aenderung nicht.

Es mag befremden, ist aber leider als Thatsache zu verzeichnen, dass, da die nur in den flüchtigsten Umrissen gezeichneten Zustände sich der Oeffentlichkeit nicht aufdrängten und es an, auf derartige Erscheinungen gerichteten Studien fehlte, sie nicht bekannt oder wenigstens nicht so gewürdigt wurden, wie sie es verdienten, und die Meinung sich ausbilden konnte, das vermeintlich fortbestehende patriarchalische Verhältnis zwischen den Industriellen und den Arbeitern schlösse jeden Grund zur Klage aus.

Der über die dritte allgemeine Gewerbeausstellung in Wien im Jahre 1845 erschienene, mit grossem Fleisse gearbeitete Bericht hatte auf seinen 1100 Seiten des Arbeiters nur insoweit gedacht, als zur Kennzeichnung der Verdienstlichkeit eines Ausstellers die Zahl der in seiner Unternehmung beschäftigten Arbeiter angeführt wurde. Noch zwei Jahrzehnte später konnte ein österreichischer Staatsmann, ohne Widerspruch zu erfahren, aussprechen, die sociale Frage höre bei Bodenbach auf. Die Arbeiterfrage, ein Theil der socialen Frage, entzog sich noch der öffentlichen Discussion. In Unkenntnis wiegte man sich im Optimismus.

ff Das Problem der Gewerbeordnung in der österreichischen Gewerbe-Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts von Dr. H. Waentig. Marburg i. H. 1896.